Der verborgene Stern
soll.“
„Ich war so wütend“, erklärte sie, während sie durch die Stadt rasten. „Mir wurde mit einem Mal klar, dass sie mich nur benutzten. Meinen Namen, mein Können, meinen Ruf. Alles, was sie wollten, waren die Steine. Sie wären mit ihnen verschwunden, und mich hätten sie allein zurückgelassen. Der Laden wäre ruiniert gewesen, Charles’ ganzes Lebenswerk! Ich schuldete ihm Loyalität. Und verdammt, die beiden doch auch!“
„Also hast du sie ausgetrickst.“
„Das war ein Impuls. Ich wollte sie mit dem, was ich wusste, konfrontieren, aber erst musste ich die drei Steine in Sicherheit bringen. Und ich dachte, dass sie auf keinen Fall am selben Ort sein sollten. Also schickte ich einen zu M.J. und einen zu Grace.“
„Guter Gott, Bailey, du hast unbezahlbare Diamanten einfach so mit der Post verschickt?“
„Wir haben ganz spezielle Kuriere für unsere Edelsteinlieferungen.“ In ihrer Stimme schwang ein leicht beleidigter Unterton mit. „Mein einziger Gedanke war, dass es zwei Menschen auf dieser Welt gibt, denen ich blind vertrauen kann. Ich dachte nicht daran, dass ich sie in Gefahr bringen könnte. Mir war wirklich nicht klar, wie weit meine Brüder gehen würden. Ich dachte, wenn ich ihnen erzähle, dass ich die Diamanten aus Sicherheitsgründen getrennt und Vorkehrungen getroffen habe, sie ans Museum zurückzugeben, wäre die ganze Sache vorbei.“ Sie klammerte sich an der Wagentür fest, als Cade um eine Straßenecke jagte. „Das Haus da vorne. Wir wohnen im dritten Stock. M.J. und ich sind Nachbarn.“
Sie sprang aus dem Auto, noch bevor er richtig abgebremst hatte, und rannte auf den Eingang zu. Fluchend riss Cade den Schlüssel aus dem Zündschloss und sprintete hinter ihr her. Auf der Treppe holte er sie ein. „Bleib hinter mir“, befahl er. „Das meine ich ernst!“
Das Schloss von Apartment 324 war aufgebrochen, vor der Tür hing ein Absperrband der Polizei.
„M.J.“, stieß Bailey aus, versuchte sich an Cade vorbeizudrücken und streckte die Hand nach dem Türknauf aus.
„Da sind Sie ja, Liebes!“ Eine ältere Frau in rosa Strickpullover, knallengen pinkfarbenen Leggins und Plüschpantoffeln kam eilig über den Flur herbeigeschlurft.
„Mrs. Weathers.“ Baileys Fingerknöchel am Türknauf wurden weiß, sie drehte sich um. „M.J. Was ist mit M.J. passiert?“
„Oh, Sie haben keine Vorstellung. Das war vielleicht ein Tumult.“ Mrs. Weathers griff sich in ihr toupiertes blondes Haar und warf Cade ein Lächeln zu. „So etwas erwartet man ja in dieser Gegend nicht. Die Welt wird immer verrückter, das sage ich Ihnen.“
„Wo ist M.J.?“
„Als ich sie das letzte Mal sah, ist sie wild schimpfend mit einem Mann die Treppe hinuntergerannt. Das war, nachdem in ihrer Wohnung die Hölle ausgebrochen ist. Ich hab gedacht, dass jemand die ganze Bude auseinandernimmt. Dieser Lärm! Und dann die Schüsse … ich will gar nicht daran denken.“ Sie nickte mehrere Male wie ein Vogel, der nach Würmern pickt.
„Schüsse? Ist M.J. angeschossen worden?“
„Nein, jedenfalls sah sie nicht danach aus. Wie gesagt, sie ist wie eine Furie aus dem Haus gerannt.“
„Mein Bruder. War sie mit meinem Bruder zusammen?“
„Nein, das war nicht Ihr Bruder. Ich habe diesen jungen Mann noch nie zuvor gesehen. Und glauben Sie mir, an den hätte ich mich erinnert! Das war ein ganz Hübscher, Augen wie aus Stahl. Und eine Kerbe am Kinn wie ein Filmstar. Ich konnte ihn gut sehen, weil er mich nämlich fast über den Haufen gerannt hat.“
„Und wann war das, Mrs. Weathers?“
Sie ließ den Blick zu Cade wandern, strahlte und streckte ihm ihre Hand entgegen. „Ich glaube, wir kennen uns noch nicht.“
„Mein Name ist Parris, ich bin ein Freund von Bailey.“ Er schenkte ihr sein unwiderstehlichstes Lächeln. „Wir waren ein paar Tage verreist und wollten M.J. nur einen kurzen Besuch abstatten.“
„Nun, seit Samstag habe ich nichts mehr von ihr gehört. Sie hat die Wohnungstür weit offen gelassen – oder zumindest dachte ich das, bis ich sah, dass jemand das Schloss aufgebrochen hat. Also habe ich einen schnellen Blick hineingeworfen. Totales Chaos. Ich weiß ja, dass M.J. nicht annähernd so ordentlich ist wie Sie, Bailey, aber das war nicht normal. Alles war komplett auf den Kopf gestellt und …“ Sie machte eine dramatische Pause. „Da lag ein Mann auf dem Boden. Ein ziemlich großer Kerl. Ich hab auf dem Absatz kehrtgemacht, bin zurück in meine Wohnung und habe die
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