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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Haushälterin schienen dunkler und unergründlicher geworden zu sein, und ihre Lippen waren so fest aufeinandergepresst, dass sie alle Farbe verloren hatten.
    »Sagen Sie das nie wieder«, zischte sie. »Wenn Sir Andrew dieses Gerede hört, entlässt er uns alle.«
    »Warum?« Charlotte bemühte sich um einen kühlen Ton, doch der Druck an ihrem Handgelenk wurde allmählich schmerzhaft.
    »Weil es Gerede ist und er Gerede nicht ertragen kann. Weil die alte Tilly krank im Kopf ist und den Leuten Angst einjagt. Wenn Miss Emily das hört …« Sie ließ Charlottes Hand abrupt los und trat einen Schritt zurück. »Seit Sie im Haus sind –«
    Charlotte spürte, wie Zorn in ihr aufstieg, und unterbrach Mrs. Evans barsch. »Sie wissen nur zu gut, dass diese Vorfälle nichts mit mir zu tun haben. Früher war Emily körperlich krank, heute leidet ihre Seele. Als ich herkam, wusste ich nichts über das Mädchen. Niemand hat mir freiwillig etwas erzählt. Ich war darauf angewiesen, mir von Fremden Dinge berichten zu lassen. Ich gebe zu, ich habe die Ohren gespitzt, denn wie soll ich ein Kind erziehen, über das ich nichts weiß?«
    »Aber Sie dürfen der alten Tilly nicht glauben. Was weiß sie denn von der Ehe der Herrschaften?«
    »Wie ich hörte, stand sie Lady Ellen sehr nahe.«
    »Das ist lange her«, erwiderte Mrs. Evans abweisend. »Seit sie den Verstand verloren hat, lebt sie vom Mitleid der Menschen. Aber keiner nimmt sie ernst.« Sie hielt inne. »Es wäre für uns beide ratsam, wenn dieses Gespräch unter uns bliebe. Kann ich mich auf Ihre Diskretion verlassen, Miss Pauly?«
    »Sofern sich meine Diskretion mit Emilys Wohl verträgt«, erwiderte Charlotte diplomatisch und atmete tief durch.
    »Es dient Emilys Wohl, wenn der Ruf ihrer Familie nicht leidet«, entgegnete Mrs. Evans förmlich und neigte leicht den Kopf, als wäre es an ihr, die Gouvernante zu entlassen.
    In ihrem Zimmer angekommen, trat Charlotte heftig gegen das Fußende ihres Bettes. Danach schmerzten ihre Zehen, doch die Wut wich allmählich aus ihrem Körper. Leider war die gute Stimmung, in der sie aus Dorking zurückgekehrt war, verflogen.
    Sie setzte sich auf die Fensterbank, zog die Knie an und lehnte sich seitlich gegen die Scheibe. Dann rief sie sich die Stunden in Erinnerung, die sie mit Mr. Ashdown verbracht hatte, und versuchte, daraus neuen Mut zu schöpfen. Er war ein Mensch, der ähnlich wissbegierig war wie sie, der nicht schwieg, sondern fragte, der nichts verbergen, sondern etwas aufdecken wollte.
    Seit sie nach Chalk Hill gekommen war, stand sie wieder und wieder vor verschlossenen Türen, lief gegen Mauern und hatte das wenige Wissen, das sie mittlerweile besaß, nur mühsam zusammengetragen. Und nun konnte sie es einem Menschen in die Hände geben, der seinen Wert zu schätzen wusste, der Emily bedingungslos helfen wollte, genau wie sie. Sie vertraute diesem Mann, selbst wenn sie ihn erst seit gestern kannte.
    Doch sie fragte sich, ob Sir Andrew seinen Schritt nicht bereuen würde. Mr. Ashdown würde ihm gewiss unangenehme Fragen stellen, und dann musste Emilys Vater womöglich mehr preisgeben, als ihm lieb war.

26
    Beim Aufwachen fiel Toms Blick auf Miss Paulys Aufzeichnungen, die er am Vorabend im Bett gelesen hatte. Er verschränkte die Hände hinter dem Kopf und zog mit den Zähnen nachdenklich an der Unterlippe. Die Klarheit ihrer Gedanken und Schlussfolgerungen hatte ihn beeindruckt, die Berichte zeugten von aufrichtigem Mitgefühl. Um seinen Auftrag zu erfüllen, musste er einer Person im Haushalt rückhaltlos vertrauen, und das würde Fräulein Charlotte Pauly sein.
    Er hatte beschlossen, anders vorzugehen als Sidgwick, Lodge und ihre Kollegen, die sich vor allem auf das Medium selbst konzentrierten. Sowohl die Logik – hier ging es um ein Kind – als auch sein Gefühl sagten ihm, dass er möglichst viel über die Lebensumstände der Kleinen erfahren musste, bevor er sich näher mit ihr beschäftigte. Emily sollte möglichst spät erst erfahren, dass sie der eigentliche Grund seines Kommens war.
    So sonderbar das Verhalten des Mädchens auch sein mochte, konnte er nicht ausschließen, dass es für all das eine rationale Erklärung gab. Emily Clayworth hatte niemanden gehabt, mit dem sie über den Tod der Mutter sprechen konnte; es war durchaus denkbar, dass sie die Trauer tief in sich verschlossen und sich in Fantasien hineingesteigert hatte.
    Tom stand auf und ging im Nachthemd im Zimmer auf und ab. Er konnte

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