Der verbotene Fluss
Theaterstücks, welches so grotesk schlecht gewesen sein muss, dass es meine Neugier weckte …«
Er lachte, wobei wieder das Funkeln in seine Augen trat. »Sagen Sie nicht, es war Die weiße Blume von Soho … «
Charlotte musste mitlachen. »War es wirklich so schlecht?«
»Noch viel schlechter«, sagte er. »Grauenhaft. Ich war mit einem Freund da – er ist Arzt und meint, es könne Menschen helfen, wenn sie ins Theater gehen und sich von diesen Melodramen ablenken lassen.«
»Wenn Lachen gesund ist, sollten sie eher Ihre Rezensionen lesen.«
»Danke, das nehme ich als Kompliment.«
»So war es auch gemeint.«
Miss Ada brachte Tee und scones mit Rahm und Erdbeermarmelade und ordnete alles liebevoll auf dem Tisch an. Dann warf sie einen Seitenblick auf Charlotte. »Wie geht es der kleinen Miss Emily? Gut, hoffe ich?«
»Ja, vielen Dank.« Charlotte zögerte. »Ist Tilly Burke noch einmal hier gewesen?«
Ada Finch sah sie überrascht an. »Wie erstaunlich, dass Sie das fragen. Vor ein paar Tagen kam sie tatsächlich wieder her. Ich frage mich, wie sie in ihrem Alter den Weg nach Dorking noch bewältigt, aber sie stand plötzlich in der Tür und –«
Ihre Schwester hinter der Theke gab ihr ein Zeichen und deutete auf mehrere Teekannen, die dort warteten.
»Verzeihung, ich komme gleich noch einmal, sonst schimpft Edith wieder, ich sei zu geschwätzig.« Sie eilte davon, worauf Mr. Ashdown Charlotte fragend ansah.
»Ist das die alte Frau, von der Sie gesprochen haben?«
»Ja, Lady Ellens ehemaliges Kindermädchen. Ihr Gerede ist verworren, das gebe ich zu, aber mir kam es vor, als steckte doch ein wenig Wahrheit darin. Sie gehört zu jenen geistig Kranken, in deren Worten sich Fantasie und Erinnerung vermischen.«
»Fragt sich nur, inwieweit man ihr Glauben schenken darf«, erwiderte er skeptisch, schnitt einen scone in zwei Hälften und löffelte Rahm und Marmelade darauf. Dann biss er hinein und schloss genießerisch die Augen. »Köstlich. Ich werde die Misses Finch in London empfehlen.«
Kurz darauf erschien Miss Ada noch einmal am Tisch. »Ich habe meiner Schwester erklärt, dass Sie mich nach Tilly gefragt haben und ich keineswegs unnütz in der Gegend herumgestanden und die Gäste belästigt habe …« Sie senkte die Stimme, damit die Leute an den Nachbartischen sie nicht hören konnten. »Tilly kam herein und fragte nach Emily. Einfach so. Ich habe gesagt, sie sei nicht hier. Und dann –« Sie holte Luft und schluckte, als fiele es ihr schwer, die nächsten Worte auszusprechen. »Tilly hat gesagt, Emily sei traurig, weil der Fluss ihre Mutter geholt hat.«
Charlotte schaute Mr. Ashdown an, der fragend mit den Schultern zuckte.
»Es ist unverantwortlich, dass die arme Frau noch allein lebt«, fügte Miss Ada hinzu. »Ich hoffe nur, dass sie dem Mädchen nicht wieder über den Weg läuft – die Kleine war ja völlig außer sich.«
Charlotte nickte. »Vielleicht spreche ich Reverend Morton und seine Frau einmal darauf an. Sie können möglicherweise dafür sorgen, dass Tilly Burke irgendwo sicher untergebracht wird.«
»Das wäre ein Werk der Nächstenliebe«, pflichtete Miss Ada ihr bei und entschwand in Richtung Theke.
Mr. Ashdown zog eine Augenbraue hoch. »Was halten Sie davon?«
Charlotte schaute nachdenklich auf ihren Teller. »Es – ist sonderbar.«
»Was genau?«
»Die Formulierung. Ich bin Tilly zweimal begegnet, und sie wiederholte mehrfach, Lady Ellen sei traurig gewesen, ihr Mann habe sie fortschicken wollen, der Fluss habe sie geholt, die Geister hätten sie gerufen. Nun erklärt sie, Emily sei traurig. Ihre Gedanken scheinen nur um den Fluss und die Geister zu kreisen. Ich habe alles genau aufgeschrieben. Wenn Sie es gelesen haben, können Sie selbst entscheiden, ob wir ihm eine Bedeutung zumessen wollen.«
Erst als sie es ausgesprochen hatte, wurde Charlotte klar, dass sie »wir« gesagt hatte.
»Nun …« Mr. Ashdown rührte nachdenklich in seinem Tee. »Das war ein interessanter Nachmittag, und ich freue mich auf Ihren Bericht. Morgen werde ich mich ein wenig in der Gegend umhören.«
»Sie wollen nicht zuerst mit Emily sprechen?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich möchte gern möglichst viel über die Familie in Erfahrung bringen, bevor ich mich mit dem Mädchen unterhalte. Vermutlich wird es auch nötig sein, mindestens eine Nacht im Haus zu verbringen.«
»Ich verstehe. Sie möchten dabei sein, falls etwas geschieht.«
»So ist es.«
Er drehte sich
Weitere Kostenlose Bücher