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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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schaute auf den Zettel und fuhr sich mit der Hand durch die Haare, sodass sie wild abstanden.
    »Ich weiß es nicht. Wenn Emily erwachsen wäre, würde ich ganz anders vorgehen. Ich könnte mit ihr den Wald und den Fluss besuchen, sie mit den Erinnerungen an ihre Mutter konfrontieren und auf diese Weise einen Zwischenfall wie letzte Nacht provozieren. Aber sie ist ein Kind, und wir müssen behutsam sein, um ihr nicht noch mehr zu schaden.«
    Charlotte setzte sich ihm gegenüber und stützte den Kopf in die Hände.
    »Eins geht mir nicht aus dem Sinn. Warum hat Nora Emily angeschrien, als sie am Fenster stand? Sie hätte vor Schreck hinausstürzen können, das muss sie gewusst haben. Aber Nora ist verstockt und will nicht mit mir sprechen, schon gar nicht, nachdem ich ihre Verwandtschaft mit Tilly Burke erwähnt habe.«
    »Es ist in der Tat seltsam.« Er zündete sich mit bedächtigen Bewegungen die Pfeife an. Charlotte ertappte sich dabei, dass sie seine schlanken Finger nicht aus den Augen ließ.
    Mr. Ashdown erhob sich. »Ich fahre noch einmal ins Hotel und ziehe mich um. Bei dieser Gelegenheit werde ich un sere neuesten Erkenntnisse niederschreiben. Manchmal wer den Dinge klarer, wenn man sie schriftlich vor sich sieht. Und heute Nacht werde ich persönlich neben Emilys Zimmer Wache halten.«
    Als Tom das Hotel betrat, war er trotz der vielen Fragen, die ihm durch den Kopf gingen, durchaus zufrieden mit seinem Tag. Die Fahrt nach Reigate und der Besuch in Mickleham waren nicht vergeblich gewesen.
    Am Empfang überreichte man ihm einen Brief von Sarah Hoskins, den er mit in sein Zimmer nahm. Er stocherte das schwache Kaminfeuer an und warf seinen Mantel über einen Stuhl. Dann lockerte er die Krawatte, knöpfte die Weste auf, setzte sich an den kleinen Tisch, legte Papier und Stift bereit und öffnete den Brief.
    OXFORD, NOVEMBER 1890
    Lieber Tom,
    ich hoffe, du verzeihst, wenn ich dir diesmal schreibe und nicht John, aber er ist sehr von seiner Arbeit in Anspruch genommen und lässt dir seine allerherzlichsten Grüße ausrichten. Nachdem ich dieser Pflicht hiermit Genüge getan habe, komme ich zu meinem eigentlichen Anliegen.
    Wo treibst du dich herum? Wir sind schon lange nicht mehr in den Genuss deiner Gegenwart gekommen und würden uns über einen nachweihnachtlichen Besuch von dir sehr freuen.
    Ich hoffe, dass du uns nur vernachlässigst, weil du mit angenehmen Dingen beschäftigt bist. Deine letzten Rezensionen waren jedenfalls so unterhaltsam und scharfzüngig wie eh und je. Aber – und nun will ich mich nicht länger mit der Vorrede aufhalten – es gibt noch jemanden, der sich für dein Wohlergehen interessiert.
    Meine liebe Emma fragt nach dir, wann immer wir uns sehen oder schreiben, was, wie du weißt, recht häufig der Fall ist. Sie befindet sich auf einem guten Weg und hat in letzter Zeit von allem Abstand genommen, das mit Spiritismus zu tun hat. Während ich durchaus verstehe, dass du dich weiterhin damit befasst, erleichtert es mich zu wissen, dass sich ihre Gedanken allmählich wieder der Gegenwart zuwenden, der einzigen Zeit, die wirklich von Bedeutung ist, weil wir in ihr leben müssen.
    Bitte glaube nicht, dass ich mich in ihre oder deine Angelegenheiten einmischen oder etwas herbeiführen möchte, über das allein ihr zu entscheiden habt. Nur schien es mir, als gäbe es etwas zwischen euch, eine Art Verbindung oder innere Übereinstimmung, die mir Hoffnung gemacht hat. Emma hat noch einen langen Weg vor sich, der gewiss länger und beschwerlicher ist als deiner, doch bitte ich dich um eines. Wenn du ihr nicht ganz gleichgültig gegenüberstehst – was ich angesichts deiner generösen Unterstützung in Sachen Charles Belvoir nicht glauben kann –, würde es mich freuen, ihr ein wenig Hoffnung auf einen Brief oder ein baldiges Wiedersehen machen zu können.
    Mein lieber Tom, ich hoffe, ich habe mich mit diesen Zeilen nicht um deine Freundschaft gebracht, an der mir ebenso viel liegt wie meinem lieben John.
    Mit den allerherzlichsten Grüßen,
    Sarah
    Tom saß da, schaute auf den Brief, den er in seinen reglosen Händen hielt, und fragte sich, warum der Tag auf einmal dunkler geworden war.

29
    Charlotte hatte sich beim Abendessen unter einem Vorwand entschuldigt, da ihr die angespannte Atmosphäre zwischen Sir Andrew und Mr. Ashdown nicht behagte. Sie hatte das Essen für sich und Emily nach oben bringen lassen.
    Das Mädchen wirkte ruhig, ließ sich von ihr ein Märchen vorlesen und

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