Der verbotene Fluss
mit den gewünschten Utensilien herein und brachte alles zum Tisch, bevor sie die Weste entgegennahm. Charlotte knöpfte vorsichtig das Hemd auf.
Als Mrs. Evans die Verletzung sah, fragte sie bestürzt: »Wie ist das passiert?«
»Ich weiß es nicht. Mr. Ashdown hat mich geweckt, weil Emily wieder am Fenster stand. Er glaubte, draußen jemanden gesehen zu haben, und ist in den Wald gelaufen. Ich bin bei Emily geblieben, bis ich ein Geräusch hörte und ihn in diesem Zustand in der Eingangshalle vorfand.«
»Ich muss Sir Andrew –«
»Warten Sie, bis ich hier fertig bin«, unterbrach Charlotte sie. »Und holen Sie mir den Brandy.«
Sie schob das Hemd über Schulter und Arm hinunter, ihre Hände waren ganz ruhig. »Schicken Sie Nora zu Emily, damit sie nicht allein ist.«
Sie tauchte ein Tuch in warmes Wasser und begann, die Wunde zu reinigen. Mr. Ashdown stöhnte und öffnete die Augen.
»Bitte bleiben Sie ruhig liegen, bis ich Sie verbunden habe.«
»Ich muss Ihnen erzählen, was passiert ist«, sagte er mühsam.
Inzwischen hatte sich das Wasser in der Schüssel rot gefärbt, doch die Wunde hörte nicht auf zu bluten. Es sah aus wie eine Stichwunde, ein tiefer Schnitt von etwa zwei Zoll Länge, knapp unterhalb der Schulter.
Charlotte überlegte, ob sie Wilkins nach einem Arzt schicken sollte, doch Mr. Ashdown schien ihre Gedanken zu erahnen und griff mit der rechten Hand nach ihrem Arm.
»Hören Sie zu.«
»Nur wenn Sie still liegen bleiben.«
»Gut.« Er schloss die Augen, um Kraft zu sammeln.
»Ich habe ein Geräusch aus Emilys Zimmer gehört und bin zu ihr gegangen. Sie stand am offenen Fenster und sprach mit jemandem, den ich nicht sehen konnte. Ich war mir nicht sicher, ob sie wach war, also habe ich sie ins Bett getragen, wo sie sich auf die Seite gedreht und weitergeschlafen hat. Dann bin ich sofort zu Ihnen gekommen.«
Er zuckte zusammen, als Charlotte einen Stapel Verbandmull auf die Wunde drückte.
»Könnten Sie bitte Ihren Arm etwas vom Körper forthalten – genau so, danke.« Sie wickelte den Verband mehrfach um den Hals und führte ihn unter der Achselhöhle hindurch, bis er sicher befestigt war. »Sie sollten den Arm für ein paar Tage in einer Schlinge tragen.«
Er nickte. »Ich bin ums Haus herum in den Garten gelaufen. Das Tor in der Mauer hatten Sie mir ja gezeigt, also ging ich hindurch. Leider habe ich in meiner Eile auf eine Laterne verzichtet und auf das Mondlicht vertraut, das mich jedoch, sobald ich den Wald betreten hatte, im Stich ließ.«
»Der Wald ist schon bei Tag ein bisschen unheimlich«, entfuhr es Charlotte.
»Ich hatte keine Gelegenheit, mich zu fürchten«, erwiderte Mr. Ashdown mit einem schwachen Grinsen. »Kaum war ich durch das Tor getreten, schoss jemand auf mich zu und griff mich an. Derjenige muss sich hinter der Mauer oder einem Baum versteckt haben, mehr kann ich nicht sagen. Es ging sehr schnell. Ich spürte einen brennenden Schmerz unterhalb der Schulter und hörte nur noch, wie die Person davonlief. Es war jemand, der sich in diesem Wald sehr gut auskennt.«
»Und derjenige hat nichts gesagt?«
Mr. Ashdown schüttelte den Kopf. Charlotte goss ein Glas Brandy aus der Karaffe ein, die Mrs. Evans bereitgestellt hatte, und reichte es ihm. »Trinken Sie.«
Sie stützte ihn, als er sich mühsam aufrichtete.
»Können Sie mir bitte erklären, was hier vorgeht?«
Sie hatten Sir Andrew nicht kommen hören. Hinter ihm sah sie Mrs. Evans im Türrahmen, die neugierig hereinschaute.
Charlotte richtete sich auf und spürte verärgert, dass ihr die Röte ins Gesicht gestiegen war.
»Verzeihen Sie, aber ich hielt es für ratsam, mich zuerst um Ihren Gast zu kümmern, Sir Andrew.«
Er fuhr sich durch die Haare und trat neben sie. »Mittlerweile gehen nachts in diesem Haus Dinge vor, die jeder Beschreibung spotten.«
Charlotte sah ihn beschwörend von der Seite an, aber er ließ sich nicht beirren. »Ich möchte wissen, was das zu bedeuten hat. Und was ist mit Emily? Hat sie etwas von diesem – Vorfall mitbekommen? Unter meinem Dach ist noch nie ein Mensch zu Schaden gekommen. Hoffentlich dringt nichts davon nach außen.«
Mr. Ashdown berichtete kurz, was sich zugetragen hatte, wor auf sich Sir Andrew in einen Sessel setzte und in beschwichtigendem Ton sagte: »Verzeihen Sie meine ungehaltenen Worte. Benötigen Sie ärztliche Hilfe?«
Er schüttelte den Kopf. »Es dürfte reichen, wenn ich später einen Arzt aufsuche. Miss Pauly hat mich ausgezeichnet
Weitere Kostenlose Bücher