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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Pearson mit rauer Stimme. »Sie wich Emily fast nie von der Seite. Das Kindermädchen hatte kaum etwas zu tun, weil die Mutter fast alle Aufgaben der Erziehung und Krankenpflege selbst übernahm.«
    »Fanden Sie es ungewöhnlich, dass sich Lady Ellen ihren Mutterpflichten in diesem Maße widmete?«
    Pearson stieß nachdenklich den Pfeifenrauch aus. »Es kommt selten vor, das ist richtig. Aber sie war gerade deshalb in der Gemeinde sehr angesehen, und die Anteilnahme bei ihrem Tod war ungeheuer groß.«
    »Kennen Sie Tilly Burke?«
    »Die geisteskranke Frau aus Mickleham, die früher für Lady Ellen gearbeitet hat? Ich habe von ihr gehört. Lady Ellen hat sie ab und an besucht und auch das Kind mitgenommen, soviel ich weiß. Sie war der alten Frau sehr zugetan, hat wohl deshalb auch die Enkelin in ihrem Haus angestellt. Sir Andrew war über diese Besuche nicht sonderlich erfreut, wie er mir gegenüber einmal erwähnte, doch seine Frau wollte nicht davon lassen.« Er verstummte abrupt, als bereute er seine offenen Worte.
    »Darf ich fragen, weshalb Sie Emily nicht weiterbehandelt haben?«, fragte Tom dann unvermittelt.
    Der Arzt richtete den Stiel der Pfeife auf ihn wie eine Waffe. »Mr. Ashdown, meine Dienste wurden nicht mehr benötigt. Mehr kann und will ich nicht dazu sagen.«
    »Dann danke ich Ihnen herzlich für die Unterredung.« Tom erhob sich mit einer angedeuteten Verbeugung und wollte zur Tür gehen.
    »Glauben Sie an Geister?«
    Er drehte sich um. Der Arzt schaute ihn sonderbar an. »Ich bin von Natur aus Agnostiker, Dr. Pearson. Wenn mir jemand eindeutige und unzweifelhafte Beweise für die Existenz Gottes, übernatürliche Phänomene oder die Fähigkeit, Wasser in Wein zu verwandeln, liefert, werde ich daran glauben. Sonst nicht. Guten Tag.«
    Nachdem er die Tür des Sprechzimmers hinter sich geschlossen hatte, ging er langsam durch den Flur. Da war etwas in den Worten des Arztes gewesen, etwas Wichtiges. Es nagte an ihm, und er wusste, dass er nicht ruhen würde, bis er es –
    Dann schlug er sich an die Stirn, machte abrupt kehrt und klopfte an die Tür, aus der er soeben getreten war.
    »Herein.«
    »Verzeihen Sie, wenn ich noch einmal störe. Sie erwähnten vorhin, dass die Enkelin von Tilly Burke in Chalk Hill beschäftigt sei.«
    »Ja. Als Kindermädchen von Emily Clayworth.«
    »Nora, ich muss mit dir sprechen«, sagte Charlotte. Ihr Blick ließ keinen Widerspruch zu. Sie kochte innerlich, seit Mr. Ashdown ihr die Nachricht überbracht hatte, und riss sich nur mühsam zusammen, um nicht laut zu werden. »Geh bitte in dein Zimmer. Du kannst die Aufgaben mitnehmen«, wies sie Emily an.
    Als das Mädchen mit einem neugierigen Blick auf die beiden Frauen hinausgegangen war, verschränkte Charlotte die Arme vor der Brust.
    »Warum hast du mir nicht gesagt, dass Tilly Burke deine Großmutter ist?«
    »Sie haben nicht danach gefragt, Miss.« Die Antwort war überraschend schlagfertig.
    »Ich habe dich aber gefragt, ob du sie kennst.«
    »Und ich habe es nicht bestritten.«
    Charlotte spürte, wie heiße Wut in ihr emporstieg. Niemand hatte es für nötig gehalten, ihr davon zu erzählen, weder Mrs. Evans noch Wilkins, Sir Andrew oder die Mortons. Mr. Ashdown hingegen hatte die Tatsache als durchaus berichtenswert empfunden; er war mit wehendem Haar und gerötetem Gesicht aus dem Wagen gesprungen, um es ihr mitzuteilen.
    »Du weißt, dass Tilly Burke mir sonderbare Dinge erzählt hat, und deine Verwandtschaft mit ihr ist für mich durchaus von Interesse.«
    »Dann verzeihen Sie bitte.« Nora senkte verschämt den Blick, doch Charlotte war nicht überzeugt. Lady Ellen, Nora, Tilly – sie spürte, dass zwischen den drei Frauen eine Verbindung bestand.
    »Nun, ich sehe, dass du nicht mit mir darüber sprechen willst. Du kannst gehen.« Sie bemerkte den überraschten Blick des Kindermädchens und fügte unvermittelt hinzu: »Ich frage mich ernsthaft, ob Emily nicht doch zu alt für ein Kindermädchen ist.«
    Doch gleich nachdem sie die Worte ausgesprochen und Nora mit gesenktem Kopf den Raum verlassen hatte, überkam sie ein Gefühl der Scham. Nora war ihr geistig unterlegen; sie hätte sich nicht zu dieser billigen Drohung hinreißen lassen dürfen. Vielleicht war Nora die Verwandtschaft mit der verrückten Alten unangenehm, und sie hatte sie deshalb verschwiegen.
    Charlotte trat seufzend ans Fenster, verärgert über sich selbst. Die Wut, die Mr. Ashdowns Nachricht in ihr ausgelöst hatte, war wohltuend

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