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Der verbotene Fluss

Der verbotene Fluss

Titel: Der verbotene Fluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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diese – diese Untersuchungen voneinander trennen?«
    Tom leerte sein Glas und stellte es energisch auf den Tisch. »Alle meine Freunde haben sich gesorgt, weil ich so lange nicht unter Menschen gegangen bin. Jetzt gehe ich unter Menschen, und ihr macht euch immer noch Sorgen.«
    »Es ist ja nur … Dabei dreht sich alles um den Tod«, sagte Stephen etwas hilflos.
    »Der Tod ist ein Teil des Lebens, es sind zwei Seiten einer Münze.« Toms Ton ließ keinen Widerspruch zu.
    In diesem Augenblick gerieten zwei Gäste an der Theke in Streit. Bald flogen die Fäuste, Hocker wurden umgestoßen, Gläser gingen zu Bruch. Der Wirt packte beide mit seinen muskulösen Händen am Schlafittchen und schleppte sie zur Tür, wo er sie mit einem beherzten Stoß auf die Straße beförderte.
    Stephen und Tom achteten nicht auf den Lärm um sie herum. Stephen beschrieb mit seinem Glas Kreise auf dem Tisch. Nach einer Weile fragte er: »Und wie bist du dazu gekommen? Du gehst doch nicht einfach zu diesen Leuten und fragst, kann ich bei euch mitmachen?«
    Tom berichtete von Sarah und John Hoskins und Emma Sinclair und seinem Besuch bei Charles Belvoir. Als er geendet hatte, zog sein Freund eine Augenbraue hoch. »Und du hast ihnen ganz uneigennützig geholfen, weil du befürchtest, der Mensch könne der jungen Dame seelischen Schaden zufügen?«
    »Gewiss«, erwiderte Tom, konnte ein Lächeln aber nicht unter drücken.
    »Und die junge Dame hat ihn als den Scharlatan erkannt, der er ist?«
    Tom wurde wieder ernst. »Ich hoffe es. Wir haben ihr von unseren Erkenntnissen berichtet. Außerdem habe ich unter einem Pseudonym einen Artikel über seine Machenschaften verfasst, der ihn einige Kunden gekostet haben dürfte. Sie ist danach wohl nicht mehr zu ihm gegangen. Aber …« Er zögerte. »Ich fürchte, sie ist immer noch anfällig für solche Menschen. Belvoir ist nur einer von vielen, die die Leichtgläubigkeit und das Leid anderer für ihre Zwecke ausnutzen.«
    »Und wenn sie nun auf jemanden träfe, der tatsächlich Geister beschwören kann?«, fragte Stephen herausfordernd. »Was würdest du ihr dann raten?«
    »Wir wissen nicht, ob es das überhaupt gibt«, sagte Tom ausweichend. »Die Society steht noch am Anfang ihrer Untersuchungen. Es ist eine Aufgabe, die viele Jahre in Anspruch nehmen wird.«
    »Aber wenn dem so wäre?«, beharrte Stephen. »Wenn diese Miss Sinclair Verbindung zu ihrem Verlobten im Jenseits aufnehmen könnte? Was würde das für dich bedeuten?«
    »Für mich?«, fragte Tom beiläufig, wich Stephens Blick aber aus.
    Sein Freund schüttelte den Kopf. »Mir machst du nichts vor.«

13
    Oktober 1890, Chalk Hill
    Sir Andrew war mit Emily zu Bekannten gefahren und hatte Charlotte den Nachmittag freigegeben. Sie freute sich für das Mädchen, das endlich einmal einen Tag mit dem Vater verbringen würde, und überlegte, wie sie die freie Zeit nutzen könnte.
    Das Wetter war kühl, aber trocken, und so beschloss sie, auf eigene Faust die Gegend zu erkunden. Wenn sie mit Emily zusammen war, konnte sie nicht ungezwungen umherstreifen, von einem Spaziergang am Fluss ganz zu schweigen. Außerdem hatte sie ein bestimmtes Ziel, das sie unbedingt allein aufsuchen musste.
    Gleich nach dem Mittagessen zog sie feste Schnürstiefel, einen warmen Tweedmantel und eine Mütze an und gab Mrs. Evans kurz Bescheid, die sie erstaunt musterte. »Sie sehen aus, als wollten Sie eine Wanderung unternehmen. Geben Sie acht, dass Sie nicht von der Dunkelheit überrascht werden.«
    »Keine Sorge. Ich habe einen guten Orientierungssinn.«
    Mit diesen Worten wickelte sie den Schal enger um den Hals und verließ das Haus.
    Ein rauer Wind zerrte an ihrer Mütze, und sie war froh, dass sie keinen Hut aufgesetzt hatte, den sie vermutlich verloren hätte.
    Charlotte marschierte drauflos. Sie war immer gern an der frischen Luft gewesen und vermisste die Bewegung, wenn sie stundenlang mit Emily im Schulzimmer, in der Bibliothek oder dem Salon saß. Auch in Berlin war sie in jeder freien Minute durch die Straßen gelaufen, hatte Schaufenster betrachtet, Museen besucht oder einfach das Gewimmel in der Stadt genossen. Die Abgeschiedenheit hier war ungewohnt, und es zog sie unwiderstehlich in die belebteren Straßen von Dorking.
    Dank der robusten Sohlen ihrer Stiefel wagte sie es, die Trittsteine über den Mole zu benutzen. Sie schaute sich um, ob niemand in der Nähe war, raffte den Rock und machte den ersten großen Schritt. Der nächste war schon

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