Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der verbotene Garten

Der verbotene Garten

Titel: Der verbotene Garten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ami McKay
Vom Netzwerk:
geschlossen haben, da dachte ich – bitte, Nestor, ich will nach Hause.«
    Er schaute mich mit ernster Miene an. »Mrs. Wentworth hat nach Ihnen verlangt.«
    Â»Nein!« Tränen stiegen mir in die Augen. »Ich kann nicht zu ihr. Ich will nicht …«
    Â»Ich fürchte, Sie müssen«, sagte er. Dann legte er tröstend den Arm um meine Schulter. »Ohne Sie, hat sie gesagt, kann sie nicht einschlafen. Und ich kann Sie nicht befreien, bevor Mrs. Wentworth nicht schläft.«
    Â»Zwingen Sie mich nicht …«, flehte ich.
    Er holte ein Taschentuch aus seiner Tasche und reichte es mir. »Trocknen Sie Ihre Tränen, und dann hören Sie gut zu. Sie müssen genau tun, was ich Ihnen sage.«
    Mrs. Wentworth saß am Teetisch und konzentrierte sich auf eine Handarbeit. Vor ihr lag ein Herrenzylinder. An der flachen Hutdecke hingen lange Fäden, die mit Nadeln befestigt waren. Am Ende einer jeden Strähne befand sich ein Gewicht, eine hölzerne Spule, so wie Großmütter und beinlose Männer in verstaubten Schaufenstern sie zur Herstellung von Spitze benutzten. Die Spulen klackten in Mrs. Wentworths Händen und schwiegen, wenn sie ihre Fortschritte in einem Büchlein, das in ihrem Schoß lag, überprüfte.

    Â»Miss Fenwick«, sagte sie, ohne von ihrer Arbeit aufzusehen. »Sehen Sie nur, was aus Ihrem schönen Haar wird.«
    Voller Angst, dass sie mich wieder schlagen wollte, trat ich vorsichtig näher und hielt mich an Nestors Worten fest. Sie müssen Ihre Gefühle zügeln, unterdrücken Sie jeden Impuls. Handeln Sie nur entsprechend unseres Plans.
    Er half nicht zum ersten Mal einem Mädchen, aus dem Haus von Mrs. Wentworth auszubrechen. Vor mir hatte es demnach zwei andere Zofen gegeben, die eine hatte eine Narbe von Mrs. Wentworths Siegelring auf der Wange davongetragen, die andere hatte es nur eine Woche lang ausgehalten.
    Â»Das sieht bisher doch ganz hinreißend aus, nicht wahr?«, sagte sie, als ich näher kam. Sie überkreuzte die Strähnen meines Haars, um daraus ein Armband zu flechten. Obwohl das Haar so präpariert war, dass es fast wie Stickseide wirkte, kostete es mich große Überwindung, es ihr nicht aus den Händen zu reißen. »Es wird das hier«, sagte sie, hielt das Buch hoch und wies auf die Seite. »Ein Mädchenkranz.«
    NR. 27 – MÄDCHENKRANZ Dieses Armband ist eine delikate Erinnerung
an eine liebe Schwester oder Tochter,
die viel zu früh von uns gegangen ist.
Feine Schlingen fügen sich wie zarte Tränen zu
einem Spitzengitter und werden zu einem Symbol
ewig währender Liebe ineinander verwoben.
    Jedes Unrecht, das mir Mrs. Wentworth angetan hatte, kam mir in den Sinn – so oft hatte ich meine Zunge schon hüten müssen, hatte ich mir gewünscht, es ihr heimzuzahlen. Es ist bald vorbei . Ich musste nur die Kraft aufbringen, noch ein wenig abzuwarten.
    Â»Möchten Sie, dass ich das Bett für Sie bereite, Ma’am?« Ich hoffte, dass sie das Armband nicht noch vor dem Schlafengehen beenden wollte. An manchen Abenden blieb sie lange wach und vertiefte sich in die jüngste Ausgabe von Harper’s Bazar oder Frank Leslie’s Illustrated Newspaper . Wenn ich dann in die Küche kam, döste Nestor schon in seinem Stuhl.
    Â»Ja, selbstverständlich«, erwiderte sie und scheuchte mich ärgerlich fort. »Ich mache nur noch rasch diese Stelle hier fertig, damit ich von dort aus in Ruhe weiterarbeiten kann.« Dann nahm sie das Band, das meinen Zopf zusammengehalten hatte, und legte es in ihr Handarbeitsbuch.
    Geduld zahlt sich am Ende aus, Miss Fenwick.
    Obwohl Nestor der Zutritt zu Mrs. Wentworths Schlafzimmer verwehrt war, kannte er jede Gemme, jeden Armreif, jeden Ring aus ihrer Schmuckschatulle. Er hatte die Stücke im Geist inventarisiert, sich jede Großzügigkeit seines Herrn gemerkt, jedes Geschenk, das er seiner Frau überreichte, jede Kostbarkeit, die er von ferne schickte.
    Bei jeder Flucht hatte Nestor das Mädchen angewiesen, einen Griff in die Schatulle zu tun und zwei Schmuckstücke herauszuangeln – eins für das Mädchen, eins für ihn. Er wählte nur solche Preziosen, die Mrs. Wentworth für spätere gesellschaftliche Anlässe reserviert hatte. Es waren wertvolle Stücke, voller Diamanten und farbiger Juwelen, Kleinode, die vor allem im funkelnden Kerzenlicht eines großen Diners oder

Weitere Kostenlose Bücher