Der verbotene Ort
mühte er sich sehr, blieb fünf Mal stehen, Adamsberg fühlte Kieselsteine unter sich rollen. Dann plötzlich ließ er ihn los, schnaufend, immer noch brummelnd, und öffnete eine Tür.
Kies unter seinem Rücken, der sich durch sein Hemd spießte – wo in Kisilova hatte er so spitze Kiesel gesehen? Schwarze Kiesel, andere, als man in Frankreich kannte. Der Mann drehte einen Schlüssel in einem Schloss, einen großen, alten Schlüssel, nach dem schweren Klang des Metalls zu urteilen. Dann kam er zu ihm zurück, fasste ihn bei den Henkeln seiner Arme, schleifte ihn brutal einige steinerne Stufen hinab und ließ ihn auf den Boden fallen. Gestampfte Erde. Zerk schnitt das Klebeband an den Handgelenken durch, zog ihm die Jacke und das Hemd aus, zerteilte die Kleidungsstücke mit mehreren Messerhieben, um sie schneller loszuwerden. Adamsberg versuchte sich zu wehren, aber er war schon zu schwach, seine Beine waren gefesselt und kältestarr, und der Stiefel des Kerls drückte auf seinen Brustkorb. Dann erneut dieses Klebeband, diesmal wurde es um seinen nackten Oberkörper gewickelt, presste ihm die Arme an die Seiten, fesselte seine Füße, die nun gleichfalls fixiert waren. Ein paar Schritte, und Zerk schloss ohne ein Wort die Tür. Die intensive Kälte im Raum stand im Gegensatz zur lauen Nacht draußen, die Dunkelheit war vollkommen. Ein Keller, der nicht einmal ein Fenster hatte.
»Weißt du, wo du bist, du Idiot? Warum hast du mich nicht in Ruhe gelassen?«
Die Stimme drang verzerrt zu ihm, etwas blechern und flüsternd, wie aus einem alten Radio.
»Ich kenne dich jetzt, Scheißbulle, ich treffe meine Vorsichtsmaßnahmen. Du bist drin, ich bin draußen. Ich habe einen Sender unter der Tür durchgeschoben, über den rede ich mit dir. Wenn du schreist, hört dich niemand, versuch’s gar nicht erst. Hier kommt nie einer her. Die Tür ist zehn Zentimeter dick, die Mauern wie eine Festung. Ein richtiger Bunker.«
Zerk ließ ein kurzes, unmelodisches Lachen hören.
»Und weißt du, warum? Weil du in einem Grab bist, Idiot. In dem am hermetischsten verschlossenen Grab von Kisilova, aus dem niemand je herauskommen darf. Ich beschreibe es dir, du siehst ja nichts, damit du dir vorstellen kannst, wo du dich befindest, bevor du stirbst. Vier Särge übereinander auf der einen Seite, fünf auf der anderen. Neun Tote. Gut, was? Und der Sarg genau rechts neben dir, wenn du den aufmachen würdest, ich bin nicht sicher, dass du ein Skelett darin fändest. Eher einen ganz frischen, saftgeschwellten Körper. Sie heißt Vesna und verschlingt die Männer. Kann sein, dass du ihr gefällst!«
Wieder ein Lachen.
Adamsberg schloss die Augen. Zerk. Wo hatte er sich in diesen zwei Tagen verkrochen? In den Wäldern, in einer der verlassenen Hütten auf den Lichtungen vielleicht. Doch was machte das noch aus? Zerk war ihm gefolgt, er hatte ihn gefunden, und es war aus. Unfähig, seine Glieder zu bewegen, spürte Adamsberg schon, wie seine Muskeln erstarrten und die Kälte in seinen Körper kroch. Zerk hatte recht, kein Mensch würde sich auf den alten Friedhof wagen, bloß dahin nicht. Seit dem großen Entsetzen von 1725 der verfluchte Ort schlechthin, wie Arandjel erklärt hatte. Niemand ging das Risiko ein und betrat ihn, nicht einmal, um die umgefallenen Grabsteine der Ahnen wieder aufzurichten. Genau hier war er, achthundert Meter weit vom Dorf, in der Gruft der neun Opfer von Plogojowitz, die in einiger Entfernung von den anderen gebaut worden war und der niemand sich nähern würde. Außer Arandjel. Aber was konnte Arandjel von der Situation wissen? Nichts. Vladislav? Nichts. Allein Danica wäre vielleicht beunruhigt, wenn sie ihn nicht in die Krutschema zurückkehren sähe. Er war zum Abendessen nicht erschienen, es gäbe kobasice , hatte sie gesagt. Aber was konnte Danica tun? Zu Vlad gehen. Der zu Arandjel gehen würde. Und dann? Wo sollten sie ihn suchen? Am Ufer der Donau, zum Beispiel. Aber wer würde auf den Gedanken kommen, dass ein schwarzer Zerk ihn in der Gruft auf dem alten Friedhof eingeschlossen hatte? Arandjel könnte sich so was denken, als allerletzte Möglichkeit. In einer Woche, in zehn Tagen. Er könnte ohne Essen und Trinken bis dahin durchhalten. Aber Zerk war nicht dumm. Zur Unbeweglichkeit verurteilt in dieser Kälte, während das Blut in seinem Körper erstarrte, der schon jetzt kribbelte, würde er keine zwei Tage überleben. Vielleicht nicht mal bis zum nächsten Morgen. Begib dich nicht unwissend in
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