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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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die Welt der vampiri, junger Mann. Mit aller Inbrunst, die die Angst einzugeben vermag, sehnte er sich zurück. Nach der Linde, den Karpaten, den lichtschimmernden Facetten des kleinen Rakijaglases.
    »Morgen bist du tot, du Idiot. Falls es dich freut, ich war noch mal bei dir zu Hause. Ich habe das kleine Katzenvieh mit einem einzigen Stiefeltritt getötet. Sie ist überallhin gespritzt. Es hat mich genervt, dass du mich gezwungen hast, sie zu retten. So sind wir quitt. Ich habe mir aus deiner Bude auch deine verdammte DNA mitgenommen. Damit kann ich’s beweisen. Und alle Welt wird erfahren, dass Adamsberg sein Kind hat sitzenlassen und was aus diesem Kind geworden ist. Wegen dir. Dir. Dir. Und du wirst verflucht sein bis ins dritte und vierte Glied.«

Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne davon stumpf geworden. Adamsberg konnte nur schwer atmen, Zerk hatte das Klebeband über seiner Brust sehr fest angezogen. Morgen bist du tot, du Idiot. Die Glieder zur Unbeweglichkeit verdammt, Atmung eingeschränkt, Sauerstoffmangel im Blut, es würde nicht lange dauern. Warum musste das Bild des von Zerks Stiefel zertretenen Kätzchens ihm so weh tun? Wo er doch in ein paar Stunden verrecken würde? Warum musste er jetzt an diese kobasice denken, obwohl er gar nicht mal wusste, was das war? Die kobasice brachten ihn auf Danica, die brachte ihn auf Vlad und sein Katzenfell, der brachte ihn auf Danglard, Danglard auf Tom und Camille dort oben ahnungslos in der Normandie, die brachten ihn auf Weill und auf diese Emma Carnot, mit der er nie geschlafen hatte. Und mit Gisèle? Auch nie. Warum konnte gerade in diesem Augenblick sein Kopf nicht an Ort und Stelle bleiben und sich auf einen einzigen tragischen Gedanken konzentrieren?
    »Eins allerdings gebe ich zu«, fing die Stimme wie mit Bedauern wieder an. »Du warst stark. Du hast kapiert. Ich nehme deinen Kopf und lasse dir deinen Körper. Und damit verlasse ich dich, Idiot, so wie du mich verlassen hast.«
    Zerk zog an der Leine, der Sender glitt unter der Tür durch, das war das letzte Geräusch, das Adamsberg vernahm. Außer dem Summen seines schwächer gewordenen Tinnitus, der nur noch leise rauschte in seinem Ohr, er war ja schon fast weg, wie er in diesem Augenblick bemerkte. Es sei denn, es war das Seufzen der rosigen Frau, die in der untersten Koje, rechts neben ihm schlief. Fast wünschte Adamsberg auf einmal, die Vampirin Vesna verließe ihren Sarg, käme ihm das Blut aussaugen und schenkte ihm dadurch das ewige Leben. Oder leistete ihm einfach ein wenig Gesellschaft. Aber nichts zu machen. Selbst hier in diesem Grab glaubte er an nichts. Ohne dass er es kontrollieren konnte, zitterte sein Körper einige Sekunden lang. Ein paar krampfartige Erschütterungen, vermutlich begann der Organismus zu entgleisen. Sein erregtes Denken raste zu dem Mann mit den goldenen Fingern, dann zu seiner Sicherung S3. Würde die Behandlung durch Dr. Josselin ihn länger durchhalten lassen als andere? Jetzt, wo seine Sicherung wieder drin und sein Scheitelbein repariert war? Ein neuer Schauer ließ ihn zu Eis erstarren unter dem Klebeband. Nein. Keine Chance.
    Woran muss man denken, wenn es ans Sterben geht?
    Verse kamen ihm in den Sinn, ihm, der nie einen einzigen behalten hatte. Wie dieses Wort kobasice, an das er sich erinnerte. Wenn er bis zum nächsten Tag gelebt hätte, wäre er vielleicht aufgewacht und hätte Englisch gekonnt. Und sich ganz normal an die Dinge erinnert, wie andere Leute auch.
    In Grabesnacht hast du mich …
    Das war einer der Verse, die Danglard oft murmelte, unter tausend anderen. Aber an das Ende erinnerte er sich nicht mehr.
    In Grabesnacht hast du mich …
    Schon spürte er den unteren Teil seiner Beine nicht mehr. Wie ein Vampir würde er hier sterben, mit versiegeltem Mund und aneinandergebundenen Füßen. So können sie nie wieder herauskommen. Aber Peter Plogojowitz, der hatte es geschafft. Aus einem Bruchstück seiner eigenen Trümmer war er wie eine Flamme wieder aufgeflackert. Er hatte Higegatte in seine Macht gebracht, die Frau von diesem Dante und die beiden Schülerinnen. Und er hatte sich die vampirisierte Familie jenes serbischen Soldaten auch weiterhin unterworfen. Eine Rächerfamilie, der mit Sicherheit auch dieser verrückte Zerk entstammte, aber, nun könnte er Danglard keine SMS mehr senden, um es zu erfahren. Mistkerl von Weill, der ihn sein GPS hatte herausnehmen lassen. Warum?
    In Grabesnacht hast du mich

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