Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
kurzem Schweigen. »Ich nehme an, das ist eine gute Nachricht.«
    »Vielleicht hat der Mörder wie Ihre Großmutter gehandelt, vielleicht wollte er die Kontakte lösen, die Elemente voneinander trennen. Was im Grunde das genaue Gegenteil einer Sammlung wäre«, fügte er mit dem Gedanken an die Füße von London hinzu. »Er hat die Einheit gesprengt, den Zusammenhalt aufgelöst. Und ich würde gern wissen, warum Mordent sich mit mir anzulegen sucht.«
     
    Retancourt mochte es nicht, wenn Adamsbergs Worte sich verwirrten. Diese Gedankensprünge, diese Konfusion konnten ihn für Momente das Bewusstsein seines Ziels aus dem Auge verlieren lassen. Sie gab ihm ein Zeichen und ging.

7
     
    Adamsberg las die Zeitung immer im Stehen, indem er in seinem Büro um den Tisch herumlief. Im Übrigen war es nicht seine Zeitung. Er lieh sie sich jeden Tag von Danglard und gab sie ihm anschließend in liederlichem Zustand zurück.
    Eine kurze Pressenotiz auf Seite 12 erwähnte die Fortschritte, die bei einer Ermittlung in Nantes zu verzeichnen waren. Adamsberg kannte den damit betrauten Kommissar sehr gut, auf der Arbeit ein trockener, einsilbiger Typ, aber geradezu extrovertiert, sobald die Stunde der Geselligkeit nahte. Er suchte nach seinem Namen, rein zur Übung. Seit London, vielleicht seitdem Danglard eine Flut von Gelehrsamkeit über den Friedhof von Highgate abgelassen hatte, nahm der Kommissar sich vor, Wörtern, Namen, Sätzen mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Ein Gebiet, auf dem sein Gedächtnis sich immer als unbrauchbar erwiesen hatte, wohingegen er sich Jahre später noch an einen Klang, einen Lichtschein, einen Ausdruck erinnern konnte. Wie hieß der Bulle? Bolet? Rollet? Ein Komödiant, der eine Tischrunde von zwanzig Leuten unterhalten konnte, was Adamsberg sehr bewunderte. Heute beneidete er diesen Nolet – gerade hatte er seinen Namen in dem Artikel gelesen – auch darum, dass er es mit einem so sauberen Mord zu tun hatte, während der blutbefleckte Samtsessel ihm nicht aus dem Kopf ging. Im Vergleich zu dem Schlachtfeld von Garches hatte Nolets Ermittlung geradezu etwas Belebendes. Ein maßvoller Mord durch zwei Schüsse in den Kopf, das Opfer hatte seinem Mörder die Tür geöffnet. Ohne Komplikationen, ohne Vergewaltigung, ohne Wahnidee, eine fünfzigjährige Frau, hingerichtet nach den Spielregeln, nach dem Prinzip aller erfahrenen Mörder, du kotzt mich an, ich bring dich um. Nolet brauchte nur noch die Spur eines Ehemannes, eines Geliebten aufzunehmen und die Sache zum Abschluss zu bringen, ohne über mehrere Quadratmeter Teppichboden waten zu müssen, an dem klumpenweise menschliches Fleisch klebte. Ohne seinen Fuß auf das Territorium der Paranoia zu setzen, jenes unbekannten Kontinents eines Stock. Stock, das wusste er, war nicht der richtige Name des britischen Kollegen, der eines Tages an irgendeinem See da oben angeln gehen würde. Vielleicht zusammen mit Danglard. Es sei denn, die Dame Abstract hielte den Commandant anderswo zurück.
    Beim Klicken der großen Wanduhr hob Adamsberg den Kopf. Pierre Vaudel, der Sohn von Pierre Vaudel, würde in wenigen Augenblicken eintreffen. Der Kommissar stieg die hölzerne Treppe hinauf, vermied die unregelmäßige Stufe, über die jeder stolperte, und betrat den Raum mit dem Getränkeautomaten, um sich einen starken Kaffee zu genehmigen. Dieser kleine Raum war ein wenig das Reich von Lieutenant Mercadet, einem zahlenbegabten Menschen, der zu jedweder logischen Übung befähigt war, doch auch ein extremes Schlafbedürfnis hatte. Ein Stapel Kissen in einer Ecke erlaubte ihm, seine Batterie regelmäßig wieder aufzuladen. Gerade hatte der Lieutenant seine Decke zusammengefaltet und stand auf, sich mit der Hand übers Gesicht fahrend.
    »Es scheint, wir haben da den Fuß in die Hölle gesetzt«, sagte er.
    »Wir haben den Fuß nicht wirklich hineingesetzt. Wir bewegen uns auf Plastikfliesen, sechs Zentimeter über dem Boden.«
    »Aber wir haben sie trotzdem bald auf dem Hals, was? Die Zeichen stehen auf Sturm.«
    »Ja. Und sobald Sie munter sind, gehen Sie hin und schauen Sie sich das an, bevor alles abgeräumt ist. Es ist ein Gemetzel ohne Sinn und Verstand. Aber es steckt eine fanatische Idee dahinter. Wie hätte Lieutenant Veyrenc gesagt? Ein feiner Stahl vibriert am Grunde noch des Chaos. Also, wie soll ich sagen, ein unsichtbares Motiv, das über die Poesie herauszufinden wäre.«
    »Veyrenc hätte noch was Besseres gefunden. Er fehlt uns, nicht

Weitere Kostenlose Bücher