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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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gestreut hätte. Er wird sich doch wohl nicht vorstellen, dass der Alte wieder nachwächst? Rechne nicht damit, dass ich dir den Körper wieder zusammensetze, es ist unmöglich.«
    »Genau«, bestätigte Adamsberg. »Unstillbare Angst, Raserei in unaufhörlichem Strom.«
    »Raserei in unaufhörlichem Strom gibt es nicht«, sagte Commandant Mordent mit schneidender Stimme.
    Adamsberg erhob sich kopfschüttelnd, betrat eine Fliese, wechselte auf die nächste mit behutsamem Schritt. Er als Einziger bewegte sich, die Beamten waren auf ihren Fliesen stehen geblieben wie die Bauern auf dem Schachbrett, während eine Figur einen Zug macht, und hörten ihm zu.
    »Normalerweise nicht, Mordent, hier aber schon. Seine Wut, sein Grauen, sein Fieberwahn reichen weiter, als wir blicken können, in Regionen, die wir nicht kennen.«
    »Nein«, beharrte der Commandant. »Wut, Zorn, so was brennt wie dürres Holz. Das hier ist eine Arbeit von Stunden. Vier Stunden mindestens, und das ist nicht die Zeitspanne der Wut.«
    »Von was sonst?«
    »Das ist Schwerstarbeit, Starrsinn, Berechnung. Vielleicht sogar Inszenierung.«
    »Unmöglich, Mordent. So was kann niemand nachahmen.«
    Adamsberg kniete sich hin, um den Boden zu untersuchen.
    »Er hatte Stiefel an, nicht wahr? Dicke Gummistiefel.«
    »Das vermuten wir«, bestätigte Lamarre. »Nach dem, was er vorhatte, schien das eine gute Vorsichtsmaßnahme zu sein. Die Sohlen haben deutliche Abdrücke auf den Teppichen hinterlassen. Vielleicht sogar mit Spuren von Material, das aus dem Profil herausgefallen ist. Schlamm, oder sonst was.«
    Mordent murmelte »Schwerstarbeit« und zog diagonal über das Feld wie der Läufer, während Adamsberg zwei Felder geradeaus schritt und eins nach rechts, wie der Springer.
    »Worauf hat er gestanden, während er die Teile zertrümmerte?«, fragte er. »Selbst mit einem Vorschlaghammer hätte er auf dem Teppich nichts ausgerichtet.«
    »Hier haben wir«, meinte Justin, »ein nahezu rechteckiges Feld, das kaum befleckt ist. Möglicherweise hat er einen Holzblock oder eine gusseiserne Platte hier hingestellt, als Amboss sozusagen.«
    »Das wäre eine Menge schweres Material, das er hergeschleppt hätte. Hammer, Kreissäge, Hauklotz. Und sicher auch Kleidung und Schuhe zum Wechseln.«
    »Das passt in einen großen Sack. Ich denke, dass er sich draußen umgezogen hat, im Garten hinter dem Haus. Es gibt Blutspuren im Gras, da wo er vermutlich seine schmutzigen Sachen abgelegt hat.«
    »Und ab und zu«, sagte Adamsberg, »hat er sich hingesetzt, um zu verschnaufen. Und zwar in den Sessel dort.«
    Adamsberg betrachtete das Möbelstück, seine gedrechselten Armlehnen, seinen rosafarbenen Samtbezug voller Blutflecken.
    »Ein verdammt schöner Sessel«, sagte er.
    »Das ist schlicht Louis-treize«, sagte Mordent. »Es ist nicht nur ein ›verdammt schöner Sessels es ist Louis-treize.«
    »Einverstanden, Commandant, es ist Louis-treize«, sagte Adamsberg, ohne den Ton zu wechseln. »Und wenn Sie vorhaben, uns den ganzen Tag auf den Wecker zu fallen, dann gehen Sie nach Hause. Es macht keinem von uns Spaß, an einem Sonntag zu arbeiten, es macht keinem Spaß, in diesem Schlachthaus herumzuwaten. Und niemand hat länger geschlafen als Sie.«
    Mordent zog noch einmal diagonal über das Brett, sich von Adamsberg entfernend. Der Kommissar verschränkte die Hände auf dem Rücken und betrachtete noch immer den großen Fauteuil.
    »Das Refugium des Mörders, sozusagen. Hier gönnt er sich seine Atempausen. Er betrachtet sein Werk der Zerstörung, er sucht Momente der Erleichterung, der Befriedigung. Oder vielleicht will er auch nur durchatmen.«
    »Warum sagen wir ›der Mörder‹?«, fragte der gewissenhafte Justin. »Auch eine Frau kann solches Material anschleppen, wenn sie ihren Wagen nicht allzu weit parkt.«
    Adamsberg schüttelte entschieden den Kopf.
    »Das ist das Werk eines Mannes, der Geist eines Mannes, hier gibt es keine Spur von Frau. Von der Größe der Stiefel ganz zu schweigen.«
    »Die Kleider«, sagte Retancourt und zeigte auf einen unordentlichen Haufen auf einem Stuhl, »hat er dem Toten weder heruntergerissen, noch hat er sie zerfetzt. Nur einfach ausgezogen, wie um ihn zu Bett zu bringen. Auch das ist selten.«
    »Eben weil er nicht in Raserei war«, sagte Mordent aus der Zimmerecke, in die er sich zurückgezogen hatte.
    »Hat er ihm alle Sachen ausgezogen?«
    »Nur die Unterhose nicht«, sagte Lamarre.
    »Weil er nicht sehen wollte«, meinte

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