Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
organische Teile auf den Teppichen, klebten an den Wänden, bildeten Klumpen von Unrat, häuften sich zu Füßen der Möbel. Knochenstücke, Fleisch, Blut, Überreste von Verbranntem im Kamin. Ein verstreuter Körper, der keinerlei Ekel erregte, so unmöglich war es, diese einzelnen Teile mit der sinnlichen Vorstellung von einem Wesen zu verbinden. Die Beamten bewegten sich mit großer Vorsicht, da sie bei jeder Geste riskierten, ein Stück von dem unsichtbaren Leichnam zu entfernen. Justin diskutierte leise mit dem Fotografen – dem mit den Sommersprossen, dessen Namen Adamsberg sich nie merken konnte –, und seine kurzen hellen Haare klebten ihm am Schädel.
    »Justin ist fix und fertig«, stellte Retancourt fest.
    »Ja«, bestätigte Adamsberg. »Er kam als Erster hier herein, vollkommen ahnungslos. Der Gärtner hatte die Polizei benachrichtigt. Der Wachtmeister in Garches rief daraufhin seinen Vorgesetzten an, und der alarmierte die Brigade, als er die Verwüstung feststellte. Justin hat es mit voller Wucht getroffen. Lösen Sie ihn ab. Übergeben Sie an Mordent, Lamarre und Voisenet. Wir brauchen eine Identifizierung aller Substanzen Meter für Meter. Segmentieren, Spuren sichern.«
    »Wie hat der Typ das gemacht? Das muss verdammt harte Arbeit gewesen sein.«
    »Auf den ersten Blick mit einer elektrischen Säge und einem Vorschlaghammer. Zwischen elf Uhr abends und vier Uhr morgens. In aller Ruhe, jede Villa ist von den umliegenden durch einen großen Garten und eine Hecke getrennt. Keine unmittelbaren Nachbarn, die meisten sind übers Wochenende verreist.«
    »Und der alte Mann? Was weiß man von ihm?«
    »Dass er allein hier lebte und sehr vermögend war.«
    »Vermögend ganz bestimmt«, sagte Retancourt und wies auf die Gobelins an den Wänden und das Klavier, einen Stutzflügel, der ein Drittel des großen Raums füllte. »Allein, das ist die Frage. Man wird nicht auf diese Weise massakriert, wenn man wirklich allein ist.«
    »Vorausgesetzt, Violette, er ist es auch, den wir da vor Augen haben. Aber es ist fast sicher, die Haare, die wir im Bad und im Schlafzimmer gefunden haben, sind die gleichen. Und wenn er’s denn ist, hieß er Pierre Vaudel, war achtundsiebzig Jahre alt, ehemals Journalist, spezialisiert auf Justizangelegenheiten.«
    »So.«
    »Ja. Aber nach dem, was sein Sohn sagt, ist kein wirklicher Feind in Sicht. Nur irgendwelche zwielichtigen Geschichten und gewisse Animositäten.«
    »Wo ist der Sohn?«
    »Derzeit im Zug. Er lebt in Avignon.«
    »Sonst hat er nichts gesagt?«
    »Mordent sagt, er habe nicht geweint.«
     
    Dr. Romain, der Gerichtsmediziner, der nach einer langen Phase der Schwäche in den Dienst zurückgekehrt war, pflanzte sich vor Adamsberg auf.
    »Nicht nötig, wegen der Identifizierung die Angehörigen kommen zu lassen. Wir machen das über die DNA.«
    »Natürlich.«
    »Ich sehe dich das erste Mal sitzen bei einer Ermittlung. Warum stehst du nicht?«
    »Weil ich sitze, Romain. Ich habe keine Lust zu stehen, das ist alles. Findest du was in dem Gemetzel?«
    »Es gibt einzelne Körperteile, die nicht gänzlich zerstört sind. Man erkennt gelegentlich ein Stück von einem Schenkel, einem Arm, die mit einigen Hammerschlägen nur breitgeklopft sind. Dem Kopf hingegen hat sich der Zertrümmerer mit großer Sorgfalt gewidmet, ebenso den Händen und den Füßen. Sie sind vollkommen zermalmt. Auch die Zähne hat er zerstoßen, es liegen hier und da Splitter herum. Sehr gründliche Arbeit.«
    »Hast du so was schon mal gesehen?«
    »Bis zur Unkenntlichkeit zerstörte Gesichter und Hände, um eine Identifizierung unmöglich zu machen – ja. Kommt immer seltener vor, seit es die DNA-Analyse gibt. Aufgeschlitzte oder verbrannte Körper, ja, hast du auch gesehen. Aber eine so fanatische Zerstörungswut, nein. Das geht über jedes Verständnis hinaus.«
    »Und wohin, Romain? In die Besessenheit?«
    »So was Ähnliches. Man könnte meinen, er habe immer weitergehackt, bis er nicht mehr konnte, als wenn er Angst hätte, es nicht ordentlich gemacht zu haben. So wie man zehn Mal kontrolliert, verstehst du, ob man die Tür auch wirklich abgeschlossen hat. Nicht nur hat er alles Stück für Stück zermalmt, mit großer Verbissenheit und immer wieder neu, er hat das Zeug auch noch verteilt. Er hat die Überreste durch den ganzen Raum verstreut. Nicht ein Fragment gehört zum anderen, selbst die Zehen sind nicht mehr beieinander. Als wenn der Kerl mit großem Schwung Samen über ein Feld

Weitere Kostenlose Bücher