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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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sich auf die Bank, umschloss den Kopf des Kätzchens mit seinen dicken Fingern – er hatte riesige Hände für seine Größe, beinahe vergleichbar mit Lucios einziger Hand – und betastete ihn langsam, hier, da und wieder hier. Scharlatan, dachte Adamsberg gereizter, als es angesichts eines kleinen weichen Tierkörpers angemessen gewesen wäre. Dann ging der Arzt zum Becken hinab, setzte seine Fingerkuppen auf zwei Punkte, als würde er einen Triller auf dem Klavier spielen, und man hörte ein leises Miauen.
    »Sie heißt Charme«, brummte Lucio.
    »Wir kriegen den Kiefer schon hin«, sagte der Arzt. »Es ist alles in Ordnung, Charme.«
    Seine mächtigen Finger – die Adamsberg immer gewaltiger erschienen, wie die zehn Arme von Shiva – legten sich um den Kiefer, als nähmen sie das Tier in die Zange.
    »Dann wollen wir mal, Charme«, murmelte er und setzte den Daumen hier und den Zeigefinger da an. »Hast du das System bei der Geburt blockiert? Hat der Kommissar dich verbogen? Oder hast du Angst gehabt? Hab ein paar Minuten Geduld, das kriegen wir hin. So, jetzt ist es gut. Und nun schauen wir uns mal deine ATM an.«
    »Was ist das?«, fragte Lucio argwöhnisch.
    »Die articulatio temporomandibularis , das Kiefergelenk.«
    Das Kätzchen ergab sich weich wie Brotteig den Händen des Arztes, dann ließ es sich an die Zitzen anlegen.
    »So, das haben wir«, sagte er mit besänftigender Stimme. »Das Temporale war rechts caudal und links cranial ausgerichtet. Das konnte zwangsläufig nicht funktionieren, die Läsion blockierte den Saugreflex. Der ist jetzt gelöst. Wir warten ein paar Minuten, um zu sehen, ob alles sich fügt. Ich habe bei der Gelegenheit gleich noch ihr Sacrum und ihr Ilium mobilisiert. Und das alles hat seine Ursache in ihrer etwas sportiven Geburt, machen Sie sich keine Sorgen. Sie wird ein kleiner Draufgänger werden, passen Sie auf sie auf. Überhaupt nicht bösartig, ein freundlicher Charakter.«
    »Mache ich, Doktor«, sagte Lucio nunmehr sehr respektvoll die Augen auf das Kätzchen geheftet, das wie atemlos saugte.
    »Und sie wird immer gern fressen. Wegen dieser fünf
    Tage.«
    »Wie Froissy«, murmelte Adamsberg.
    »Auch eine Katze?«
    »Eine meiner Mitarbeiterinnen. Sie isst unaufhörlich, sie versteckt ihre Vorräte und ist dabei gertenschlank.«
    »Angst«, sagte der Arzt müde. »Müsste man sich ansehen. Alle Welt müsste man sich ansehen, und mich gleich mit. Ich hätte jetzt gern einen Schluck Wein«, sagte er unvermittelt, »wenn niemand etwas dagegen hat. Es ist Zeit für den Aperitif. Sieht zwar nicht danach aus, aber so was verlangt Energie.«
    In diesem Augenblick war da nichts mehr von dem bourgeoisen Standesdünkel, den Adamsberg an ihm bemerkt hatte, als er jenseits der verschränkten Arme seiner Beamten stand. Der Arzt hatte seinen Schlips gelockert und fuhr sich mit den Fingern durch sein graues Haar, mit dem erfüllten Ausdruck eines verschwitzten Kerls, dem eine schwere Arbeit gelungen ist, wessen er sich eine Stunde zuvor noch gar nicht sicher gewesen war. Er wollte einen Schluck Wein, dieser Mann, ein Signal, auf das Lucio sofort reagierte.
    »Wohin geht er?«, fragte der Arzt, als er Lucio geradewegs auf die Hecke im Hintergrund zulaufen sah.
    »Seine Tochter untersagt ihm jeglichen Genuss von Alkohol und Tabak. Darum versteckt er sie irgendwo im Gebüsch. Die Zigaretten befinden sich in zwei ineinandergestellten Plastikdosen, wegen des Regens.«
    »Seine Tochter weiß das natürlich.«
    »Natürlich.«
    »Und er weiß, dass sie es weiß.«
    »Natürlich.«
    »Und so dreht sich die Welt in der Spirale ihrer Hintergedanken. Was ist mit seinem Arm passiert?«
    »Abgerissen im Spanienkrieg, als er neun Jahre alt war.«
    »Aber vorher hatte er da was, nicht wahr? Eine Wunde, die sich noch nicht geschlossen hatte? Einen Biss? Wie soll ich sagen, irgendetwas Ungelöstes, oder?«
    »Eine Kleinigkeit«, sagte Adamsberg und stöhnte. »Einen Spinnenbiss, der ihn juckte.«
    »Den wird er sich immer weiter kratzen«, meinte der Arzt in fatalistischem Ton. Das ist hier drin«, sagte er und pochte an seine Stirn, »eingraviert in den Neuronen. Die immer noch nicht begriffen haben, dass der Arm weg ist. Das geht über Jahre so, der Verstand vermag nichts dagegen.«
    »Wozu dient der Verstand dann?«
    »Die Menschen zu beruhigen, und das ist schon viel.«
    Lucio kam mit drei zwischen die Finger geklemmten Gläsern zurück, eine Flasche unter seinem Armstumpf. Er stellte alles auf

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