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Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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ich.«
    Eine ziemlich helle, spöttische Stimme, allzu spöttisch, sie signalisierte deutlich Gefahr. Der Kerl hob die Hinterseite seines T-Shirts und ließ den Kolben der P 38 sehen, die zwischen dem Bund seiner Jeans und seinem braunen Rücken steckte.
    Kein Ausweg, weder durchs Bad noch über das Arbeitszimmer. Und den Zugang zur Außentür versperrte der Mann. Adamsberg zog seine Sachen über, löste die Klinge aus seinem Rasierapparat und steckte sie in die Tasche. Was noch? Die große Nagelzange in die andere Tasche. Es war lächerlich, der Kerl hatte beide Knarren. Und wenn ihn nicht alles täuschte, war es der Zerquetscher, der da vor ihm stand. Das dichte Haar, der etwas gedrungene Hals. An diesem Junitag also würde der Weg zu Ende sein. Er hatte Danglards besorgten Rat nicht befolgt, und nun war der Morgen da und mit ihm dieser Kerl in seinem scheußlichen T-Shirt. Ausgerechnet an diesem Morgen, wo das Licht draußen jeden Grashalm, jede Baumrinde so malerisch vom Untergrund abhob, mit einer ihm vertrauten, ergreifenden Klarheit. Auch gestern hatte das Licht das getan. Aber heute Morgen sah er es deutlicher.
    Adamsberg war kein furchtsamer Mensch, sei es, dass er sich nicht aufregen konnte, sei es, dass Vorausdenken nicht seine Sache war oder auch weil er den Zufälligkeiten des Lebens mit offenen Armen begegnete. Er betrat die Küche, ging um den Tisch herum. Wie war es möglich, dass er in diesem Augenblick fähig war, an Kaffee zu denken, an das Verlangen, das er hatte, einen Kaffee zu bereiten und zu trinken?
    Der Zerquetscher. So jung, verdammt, war sein erster Gedanke. So jung, aber das Gesicht schon geprägt, hohlwangig und kantig, knochig und unharmonisch. So jung, aber die Züge schon gezeichnet von der Entscheidung für etwas Unumkehrbares. Er überspielte seine Wut mit einem spöttischen Grinsen, dem Grinsen eines kleinen Angebers. Der auch mit dem Tod noch prahlte, in einem hochmütigen Kampf, der sein Gesicht bleich erscheinen ließ und ihm diesen grausamen, stumpfen Ausdruck verlieh. Den Tod trug er demonstrativ auf seinem T-Shirt vor sich her, Thorax in Vorderansicht. Unterm Brustbein ein Text, der im Stil eines Lexikons erläuterte: Tod. 1. Stillstand der Lebensfunktionen, begleitet vom Erlöschen der Atmung und der Zersetzung des Fleisches. 2. Tot sein: erledigt sein, nichts mehr sein. Der Typ war schon tot und riss die anderen mit sich fort.
    »Ich mach einen Kaffee«, sagte Adamsberg.
    »Spiel nicht den Coolen«, erwiderte der junge Mann und zog an seiner Zigarette, seine andere Hand auf die Waffe legend. »Sag nicht, dass du nicht weißt, wer ich bin.«
    »Aber sicher weiß ich das. Du bist der Zerquetscher.«
    »Der was?«
    »Der Zermalmer. Der verbissenste Mörder des neuen Jahrhunderts.«
    Der Mann grinste zufrieden.
    »Ich will einen Kaffee«, sagte Adamsberg. »Ob du mich jetzt abknallst oder danach, was macht das für einen Unterschied? Du hast die Waffen, du blockierst die Tür.«
    »Ja«, sagte der Mann und näherte den Revolver dem Rand des Tisches. »Du amüsierst mich.«
    Adamsberg legte den Papierfilter in den Filteraufsatz, füllte ihn mit drei gehäuften Löffeln Kaffee, maß zwei Schalen Wasser ab, die er in eine Kasserolle goss. Irgendetwas musste er tun.
    »Hast du keine Kaffeemaschine?«
    »So schmeckt er besser. Hast du schon gefrühstückt? Wie du willst«, sagte der Kommissar in das Schweigen hinein. »Ich jedenfalls esse was.«
    »Du isst, wenn ich es will.«
    »Wenn ich nicht esse, kann ich nicht verstehen, was du sagst. Ich nehme doch an, dass du gekommen bist, um mir irgendetwas zu sagen.«
    »Du spielst den Überlegenen, was?«, sagte der Typ, während der Duft des Kaffees sich in der Küche verbreitete.
    »Nein. Ich bereite mir mein letztes Frühstück. Stört dich das?«
    »Ja.«
    »Dann schieß.«
    Adamsberg stellte zwei Schalen auf den Tisch, Zucker, Brot, Butter, Konfitüre und Milch. Er hatte nicht die geringste Lust, unter den Kugeln dieses finsteren und, wie Josselin gesagt hätte, blockierten Kerls zu sterben. Noch ihn kennenzulernen. Doch reden und zum Reden bringen, das lernte man, noch bevor man schießen konnte. »Das Wort«, sagte der Ausbilder, »ist die tödlichste aller Kugeln, wenn ihr es schafft, mitten in den Kopf zu treffen.« Er fügte hinzu, dass genau das sehr schwer sei, das Zentrum des Kopfes mit Worten zu erreichen, und wenn man danebenziele, schieße der Feind einen auf der Stelle nieder.
    Adamsberg goss den Kaffee in beide Schalen,

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