Der verbotene Ort
wirklich.«
»Was du nichts sagst«, spottete der junge Mann und richtete seine Waffe auf ihn. »Dem Bullen reicht’s, der Bulle will hier raus.«
»Du hast richtig verstanden. Siehst du dieses Fläschchen?«
Adamsberg hielt ein gläsernes Röhrchen mit einer bräunlichen Flüssigkeit zwischen den Fingern, nicht größer als eine Parfumprobe.
»Ich an deiner Stelle würde die Waffe nicht anrühren, bevor du mich nicht angehört hast. Siehst du den Stöpsel? Wenn ich ihn herausziehe, stirbst du. In weniger als einer Sekunde. In 74,3 Hundertstelsekunden, genau gesagt.«
»Dreckskerl«, fluchte der junge Mann. »Hast du darum einen auf überlegen gemacht, hä? Hattest du darum keine Angst?«
»Lass mich ausreden. Die Zeit, in der du deine Waffe entsicherst, 65 Hundertstelsekunden, die Zeit, in der du auf den Auslöser drückst, 59 Hundertstel. Die Zeit, bis die Kugel einschlägt, 32 Hundertstel. Insgesamt eine und 56 Hundertstel Sekunden. Ergebnis. Du bist tot, bevor die Kugel mich erreicht.«
»Was ist das für eine Sauerei?«
Der junge Mann war aufgestanden und trat zurück, die Waffe noch immer auf Adamsberg gerichtet.
»Nitrozitraminsäure. Verwandelt sich bei Kontakt mit der Luft sofort in ein tödliches Gas.«
»Dann krepierst du mit mir, du Idiot.«
»Ich bin noch nicht fertig. Alle Leute von der Kripo lassen sich in einer zweimonatigen intrakutanen Behandlung dagegen immunisieren, und du kannst mir glauben, das ist kein Zuckerlecken. Wenn ich den Stöpsel ziehe, stirbst du – Herzerweiterung, bis das Herz zerspringt –, ich aber entleere mich drei Wochen lang nach oben und nach unten, die Haut platzt auf, und die Haare fallen mir aus. Danach blühe ich wie eine Blume wieder auf.«
»Du wirst es nicht tun.«
»Bei dir, Zerquetscher, ohne alle Bedenken.«
»Verdammter Hurensohn.«
»Ja.«
»Du kannst einen Menschen nicht so töten.«
»Ich kann es.«
»Was verlangst du?«
»Dass du deine Knarren fallen lässt, dass du die Schublade dort aufziehst und die zwei Paar Handschellen herausnimmst. Du machst dir das eine an den Füßen, das andere an den Handgelenken an. Entscheide dich schnell, ich sagte, ich bin manchmal sehr ungeduldig.«
»Drecksbulle.«
»Ja. Aber beeil dich trotzdem. Kann sein, ich schaufle Wolken da oben, aber wenn ich wieder runterkomme, bin ich schnell.«
Der junge Mann fegte mit dem Arm über den Tisch, schleuderte wütend ein paar Papiere in den Raum und schmiss das Pistolenhalfter auf den Boden. Dann griff er sich mit der Hand in den Rücken.
»Pass auf mit der P 38. Wenn man sich eine Waffe in die Hose steckt, darf man sie nicht zu tief reinschieben. Schon gar nicht in eine so enge Jeans. Wenn du Pech hast, durchlöcherst du dir den Arsch.«
»Hältst du mich für total beknackt?«
»Ja. Für total beknackt, für ein Kind und ein wildes Tier. Aber nicht für einen Idioten.«
»Wenn ich dir nicht gesagt hätte, du sollst dich anziehen, dann hättest du das Fläschchen nicht.«
»Stimmt.«
»Aber ich hatte keine Lust, dich nackt zu sehen.«
»Das verstehe ich. Vaudel wolltest du auch nicht nackt sehen.«
Der junge Mann zog vorsichtig die Waffe aus seiner Hose und warf sie auf den Boden. Er öffnete die Schublade, nahm die Handschellen heraus, dann drehte er sich ganz plötzlich und mit einem schrillen Lachen um.
»Du hast also nicht verstanden, Adamsberg? Hast noch immer nicht verstanden? Du denkst, ich würde das Risiko eingehen, verhaftet zu werden? Allein um des Vergnügens willen, dich kennenzulernen? Kapierst du nicht: Wenn ich hier bin, dann weil du mich nicht verhaften kannst? Weder heute noch morgen, noch sonst wann? Erinnerst du dich, warum ich hergekommen bin?«
»Um mir das Leben zu versauen.«
»Genau.«
Auch Adamsberg war jetzt aufgestanden, er hielt die Phiole vor sich hin wie ein Kruzifix, den Daumennagel unter dem Stöpsel. Beide Männer liefen umeinander herum wie zwei Hunde, die die Flanke des anderen suchen.
»Vergiss es«, sagte der junge Mann. »Ich bin nicht der Sohn von irgendwem. Du kannst mich weder töten noch einsperren, noch deine Hetzjagd fortsetzen.«
»Bist du ein Unberührbarer? Ist dein Vater Minister? Der Papst? Gott?«
»Nein. Du bist mein Vater, du Arschloch.«
24
Adamsberg erstarrte, ließ die Arme sinken, das Fläschchen rollte auf den roten Fliesenboden.
»Scheiße! Die Phiole!«, brüllte der junge Mann.
Adamsberg bückte sich automatisch danach. Wie nann te man gleich einen Menschen, der eine Geschichte
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