Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der verbotene Ort

Titel: Der verbotene Ort Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
Vom Netzwerk:
an. Und außerdem spricht etwas Entscheidendes dagegen. Sehen Sie es nicht?«
    »Ich sehe überhaupt nichts, ich habe einen Tinnitus.«
    »So werde ich es etwas lauter sagen. Was dagegen spricht, ist der unglaubliche Zufall, der die Schuhe meines Onkels mit dem Blutbad von Garches in Verbindung gebracht hätte. Und der uns, Sie und mich, gleichzeitig auf beide Fälle hätte stoßen lassen. Und Sie wissen, was ich von Zufällen halte.«
    »Eben. Somit steht fest, dass wir ganz unauffällig zu den Gammelfüßen von Higegatte hingeführt wurden.«
    »Von wem?«
    »Von Lord Fox. Oder genauer, von seinem so plötzlich verschwundenen kubanischen Freund. Er wusste, wo Stock langzugehen pflegte und dass wir ihn begleiteten.«
    »Und warum sollte man uns unauffällig hingeführt haben?«
    »Weil Garches in seinen katastrophalen Dimensionen zwangsläufig der Brigade zufallen musste. Das wusste der Mörder. Und selbst wenn er sich überwunden hatte, seine Sammlung auszusetzen – die ihm vielleicht zu gefährlich geworden war –, konnte er sie doch nicht in alle Winde verstreuen, ohne Aufsehen oder Garantie. Er musste die Verbindung herstellen zwischen seinem Jugendwerk und dem seiner reifen Jahre. Er musste dafür sorgen, dass es bekannt würde. Dass Higegatte uns noch im Gedächtnis wäre, wenn das in Garches passieren würde. Der Fußabschneider und der Zerquetscher gehören zu ein und derselben Geschichte. Erinnern Sie sich, dass der Mörder es besonders auf die Füße von Vaudel und von Plögener abgesehen hat. Wo liegt dieses Kissilove?«
    »Kisilova. Am Südufer der Donau, zwei Schritt von der rumänischen Grenze entfernt.«
    »Eine größere Ortschaft oder ein Dorf?«
    »Ein Dorf, nicht mehr als achthundert Seelen.«
    »Wenn der Fußabschneider einem Leichnam bis dorthin gefolgt ist, hat man ihn möglicherweise bemerkt.«
    »Nach zwanzig Jahren gibt es kaum eine Chance, dass jemand sich an ihn erinnert.«
    »Hat Ihr Onkel Ihnen jemals etwas davon gesagt, dass eine Familie im Dorf in eine Vendetta verstrickt wäre, einen Krieg zwischen Clans, irgendetwas in der Art? Der Arzt sagt, Vaudel habe in dieser Obsession gelebt.«
    »Nie«, sagte Danglard nach einem Augenblick des Nachdenkens. »Es wimmelte in dem Ort von Feinden, es gab Gespenster und Teufelinnen, Menschenfresser und natürlich den ›sehr großen Dämon‹, der am Waldsaum umherstrich. Aber keine rachebeseelte Familie. In jedem Fall, Kommissar, wenn Sie recht haben sollten, dann beobachtet uns der Zerquetscher mit Sicherheit.«
    »Ja, seit London.«
    »Und er wird uns in den Tunnel von Kiseljevo nicht hineinlassen, egal, was darin verborgen ist. Ich rate Ihnen, seien Sie vorsichtig, ich glaube nicht, dass wir es mit dem aufnehmen können.«
    »Sicher nicht«, sagte Adamsberg und sah das blutüberströmte Piano vor sich.
    »Haben Sie Ihre Waffe bei sich?«
    »Unten.«
    »Dann holen Sie sie in Ihr Schlafzimmer hinauf.«

23
     
    Die Stufen der alten, aus Holz und Terrakottafliesen gebauten Treppe waren kalt, doch Adamsberg achtete nicht darauf. Es war Viertel nach sechs, er stieg sie ruhig hinunter wie jeden Morgen, er hatte seinen Tinnitus, Kisilova und die Welt vergessen, als wenn der Schlaf ihn in einen jungfräulichen, einen tu,ben und analphabetischen Zustand versetzt und sein wiedererwachendes Denken auf Trinken, Essen, Waschen orientiert hätte. Auf der vorletzten Stufe hielt er inne, als er in seiner Küche, den Rücken ihm zugekehrt, einen Mann sah, der in dem morgendlichen Sonnenviereck stand, eingehüllt in den Rauch einer Zigarette. Er war schmal von Statur, mit dunklen Haaren, die sich auf den Schultern lockten, jung, zweifellos, und er trug ein schwarzes T-Shirt, bedruckt mit dem weißen Abbild eines Brustkorbs, von dessen Rippen Blut tropfte.
    Er kannte diese Silhouette nicht, und die Alarmglocken schrillten in seinem leeren Hirn. Der Mann hatte kräftige Arme, er schien ihn mit einer sehr genauen Vorstellung zu erwarten. Und er war bekleidet, während Adamsberg selbst nackt auf der Treppe stand, ohne Plan und ohne Waffe. Diese Waffe, die Danglard ihm empfohlen hatte mit in sein Zimmer hinaufzunehmen, lag auf dem Tisch, in Reichweite der Hand des Unbekannten. Wenn es ihm gelang, sich geräuschlos nach links zu wenden, könnte er im Bad seine Sachen greifen und die P 38, die immer zwischen Wasserspülung und Wand klemmte.
    »Hol schon deine Klamotten, du Idiot«, sagte der Mann, ohne sich umzudrehen. »Und such deine Knarre nicht, die habe

Weitere Kostenlose Bücher