Der verbotene Ort
schob den Zucker und das Brot zum Gegner hinüber, dessen Augen unbeweglich blickten unter dem Balken seiner dunklen Augenbrauen.
»Sag mir wenigstens, wie du ihn findest. Du scheinst was vom Kochen zu verstehen.«
»Woher weißt du das?«
»Von Weill, im Parterre. Ein Freund von mir. Er mag dich gern, dich, den Zerquetscher. Ich sage Zerketch. Ohne dich kränken zu wollen.«
»Ich weiß, was du vorhast, Idiot. Versuchst mich zum Reden zu bringen, dass ich mein Leben erzähle und all diesen Quark, bist ja ’n erfahrener alter Bulle. Dann bringst du mich in Verwirrung, und schon pustest du mir die Eier weg.«
»Dein Leben ist mir egal.«
»Ach ja?«
»Ja«, sagte Adamsberg in aller Aufrichtigkeit und bedauerte es auf der Stelle.
»Ich glaube, das ist ein Fehler«, meinte der Junge und biss die Zähne zusammen.
»Bestimmt. Aber so bin ich nun mal. Mir ist alles egal.«
»Ich auch?«
»Du auch.«
»Was interessiert dich dann überhaupt, du Idiot?«
»Gar nichts. Ich muss bei irgendeiner Verteilung zu spät gekommen sein. Siehst du die Birne da an der Decke?«
»Versuch nicht, mich dahin zu bringen, dass ich den Kopf hebe.«
»Sie ist schon seit Monaten kaputt. Ich hab sie nicht ausgewechselt, ich komme im Dunkeln zurecht.«
»Genau das hab ich mir von dir gedacht. Du bist ein Nichtsnutz und ein Dreckskerl.«
»Um ein Dreckskerl zu sein, muss man immerhin etwas wollen, nicht wahr?«
»Ja«, gab der junge Mann nach einer Weile zu.
»Und ich will nichts. Was alles andere angeht, magst du recht haben.«
»Und ein Feigling bist du. Du erinnerst mich an so ’n alten Typen, einen Aufschneider, einen Spieler, der sich allem überlegen fühlt.«
»Na und.«
»Eines Abends war er in einer Bar, da sind sechs Typen über ihn hergefallen. Weißt du, was er gemacht hat?«
»Nein.«
»Er hat sich auf die Erde gelegt wie ’n Schlappschwanz. Und hat gesagt: ›Na, dann los, Jungs.‹ Da sagten die Jungs, er solle wieder aufstehen. Aber der Alte blieb am Boden liegen, die Hände überm Bauch gefaltet wie ’n richtiger Waschlappen. Da haben die Jungs gesagt: ›Verdammte Scheiße, steh auf, wir bezahlen dir ein Glas.‹ Und weißt du, was der Alte gesagt hat?«
»Ja.«
»Äh, wirklich?«
»Er hat gesagt: ›Ein Glas wovon? Für einen Beaujolais stehe ich nicht auf.‹«
»Ja, genau«, erwiderte der junge Mann irritiert.
»Da haben die sechs Jungs, alle Achtung«, fuhr Adamsberg fort, während er eine Scheibe Brot in seine Schale tauchte, »dem Alten auf die Beine geholfen, und danach waren sie die dicksten Freunde. Ich finde nicht, dass das feige ist. Ich finde, dazu braucht es Mut. Aber so ist Weill. Nicht wahr, der Alte, das war Weill?«
»Ja.«
»Er ist begabt. Ich nicht.«
»Er ist besser als du? Als Bulle?«
»Bist du enttäuscht? Willst du einen anderen Gegner?«
»Nein. Es heißt, du bist der beste Bulle.«
»Dann mussten wir uns ja früher oder später kennenlernen.«
»Wenn du wüsstest, du Idiot«, der junge Mann grinste boshaft und trank seinen ersten Schluck Kaffee.
»Kannst du mich noch anders nennen?«
»Ja. Ich kann dich Scheißpolyp nennen.«
Adamsberg hatte sein Brot aufgegessen und seinen Kaffee getrunken, um diese Zeit ging er normalerweise in die Brigade, eine halbe Stunde Fußweg. Er fühlte sich müde, angeekelt von diesem Gespräch, angewidert von seinem Gegenüber und von sich selbst.
»Sieben Uhr«, sagte er und warf einen Blick aus dem Fenster. »Genau um diese Uhrzeit geht der Nachbar immer an den Baum pinkeln. Er pinkelt alle anderthalb Stunden, Tag und Nacht. Dem Baum tut es nicht gut, aber mir zeigt es die Stunde an.«
Der Kerl fasste die Waffe fester und betrachtete Lucio durch die Scheibe.
»Warum pinkelt der alle anderthalb Stunden?«
»Seine Prostata.«
»Ist mir egal«, sagte der junge Mann voller Ingrimm. »Ich habe Tbc, Schorfflechte, jede Menge Ekzeme, Darmentzündung und nur noch eine Niere.«
Adamsberg räumte die Kaffeeschalen weg.
»Da verstehe ich, dass du alle Leute kaltmachst.«
»Ja. In einem Jahr bin ich tot.«
Adamsberg deutete auf die Zigarettenschachtel des Zerquetschers.
»Soll das heißen, du willst eine haben?«, fragte der junge Mann.
»Ja.«
Die Schachtel glitt über den Tisch.
»So ist es üblich. Rauch eine, danach mach ich dich fertig. Was willst du sonst noch? Irgendwas wissen? Was verstehen? Du wirst nichts erfahren, da kannst du lange warten.«
Adamsberg zog eine Zigarette heraus und deutete mit einer Fingerbewegung an,
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