Der verbotene Ort
Flughafen.«
»Haben wir noch Zeit auf ein Bier?«
»Gerade so.«
»Wir werden uns damit begnügen. Nehmen Sie doch Platz, mein Freund«, fügte er, auf einen Stuhl deutend, hinzu, in jenem leicht herablassenden Ton, den er so gern anschlug, als wäre er in den eigenen vier Wänden, wo immer er sich auch befand. »Sie gehen außer Landes? Das scheint vernünftig. Mit welchem Ziel?«
»Kisilova. Ein kleines serbisches Dorf am Ufer der Donau.«
»Immer noch der Fall Garches?«
»Immer noch.«
»Sie rauchen?«, fragte Weill und gab ihm Feuer.
»Ich habe heute wieder damit angefangen.«
»Sorgen«, meinte Weill.
»Wahrscheinlich.«
»Ganz bestimmt. Darum musste ich Sie auch sprechen.«
»Warum haben Sie mich nicht angerufen?«
»Das werden Sie noch verstehen. Ein Unwetter braut sich über Ihrem Kopf zusammen, schlafen Sie nicht unter einem Baum, gehen Sie nicht ohne Deckung mit einer Lanze in der Hand vor. Laufen Sie im Schatten, und laufen Sie schnell.«
»Geben Sie mir Einzelheiten, Weill, ich brauche sie.«
»Ich habe keine Beweise, mein Freund.«
»Dann nennen Sie mir Motive.«
»Der Mörder von Garches hat einen Beschützer.«
»Oben?«
»Sicher. Ein ganz großes Kaliber, und ziemlich bedenkenlos. Man wünscht nicht, dass Sie den Fall aufklären. Man wünscht, dass Sie das Feld räumen. Ein Dossier, ein ziemlich dürftiges, ist gegen Sie angelegt worden, von wegen Fluchtbegünstigung eines Verdächtigen – Émile Feuillant – und Nachlässigkeit bei der Überprüfung eines Alibis. Man hat Ihre einstweilige Suspendierung verlangt. Man denkt daran, Préval mit der Ermittlung zu beauftragen.«
»Préval ist korrupt.«
»Notorisch korrupt. Ich habe Ihr Dossier verschwinden lassen.«
»Danke.«
»Sie werden zu einem nächsten Schlag ausholen, einem noch stärkeren, und meine bescheidene Macht wird dagegen nichts mehr vermögen. Haben Sie etwas geplant? Außer dass Sie jetzt wegfliegen?«
»Schneller laufen als sie, den Ball kriegen, bevor er den Boden berührt.«
»Mit anderen Worten, den Mörder beim Schlafittchen packen und mit den Beweisen wedeln? Lachhaft, mein Freund. Glauben Sie etwa, die wissen nicht, wie man Beweise in Luft auflöst?«
»Nein.«
»Sehr gut. Also verdreifachen Sie Ihren Plan. Plan A, suchen Sie den Mörder, einverstanden. Das ist der einvernehmliche Aspekt der Angelegenheit, aber er hat nicht die Priorität, denn die Wahrheit kommt nicht zwangsläufig mit der Reuse nach oben, vor allem, wenn sie unerwünscht ist. Plan B, finden Sie heraus, wer da oben Sie abzuschießen sucht, und bereiten Sie eine Gegenoffensive vor. Plan C, denken Sie über ein Exil nach. Vielleicht gleich via Adria.«
»Sie sind nicht besonders komisch, Weill.«
»Die sind auch nicht besonders komisch. Nie.«
»Ich habe keinerlei Möglichkeit, den Mann da oben zu identifizieren. Nur indem ich den Mörder einkreise, kann ich ihm näher kommen.«
»Nicht zwangsläufig. Was sich da oben abspielt, bleibt dem gemeinen Volk verborgen. Also fangen Sie von unten an. Denn die da oben bedienen sich immer derer da unten, die nach oben gelangen wollen. Dann steigen Sie die Leiter aufwärts. Wer steht ganz unten? Auf der ersten Sprosse?«
»Commandant Mordent. Sie haben ihn benutzt für das Versprechen, seine Tochter freizulassen. Sie steht in knapp zwei Wochen wegen Rauschgifthandels vor Gericht.«
»Oder wegen Mordes. Das Mädchen war total zugedröhnt, als Stubby Down niedergeschossen wurde. Ihr Freund Bones kann ihr die Waffe in die Hand geschoben und mit ihrem Finger den Abzug gedrückt haben.«
»Und ist es so passiert, Weill? Genau so?«
»Ja. Technisch gesehen war sie es, die getötet hat. Mordent muss also sehr teuer bezahlen für den Handel. Wer steht Ihrer Meinung nach auf der zweiten Sprosse der Leiter?«
»Brézillon. Er steuert Mordent. Aber ich glaube nicht, dass er an dem Deal beteiligt ist.«
»Ohne Bedeutung. Dritte Sprosse der Leiter, der Richter in dem Prozess, der im Vorhinein akzeptiert hat, Mordents Tochter freizusprechen. Wer ist er, und was gewinnt er im Gegenzug? Das muss man herausfinden, Adamsberg. Wer hat ihn um den Freispruch gebeten, für wen arbeitet er?«
»Tut mir leid«, sagte Adamsberg und trank sein Bier aus, »ich hatte keine Zeit, mir um all das einen Kopf zu machen. Danglard ist darauf gekommen. Da waren die abgeschnittenen Füße, die Hölle von Garches, die Schüsse auf Émile, der Mord in Österreich, der Onkel in Serbien, meine Sicherung, die durchbrannte,
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