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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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zusammen, und sie schlummerten knapp drei Stunden vor sich hin. Fast hätten sie in Zürich das Umsteigen verschlafen. Erst im Zug nach Luzern war Theo endlich wieder zum Erzählen gekommen.
    Sophia griff wie selbstverständlich nach seiner Hand, als er ihr aus dem Waggon half. Seite an Seite strebten sie eilig den Ausgängen entgegen, die Köpfe immer gesenkt haltend, damit die Überwachungskameras nicht ihre Gesichter einfangen konnten. Zwar hatte Oros sich seit Berlin nicht mehr blicken lassen, aber wer konnte schon wissen, ob ihm nicht auch hier Spione – manche aus Metall und Silizium, andere aus Fleisch und Blut  – zu Diensten waren?
    Am Ende der Gleise wandten sich die zwei nach links. Dem alten Kopfbahnhof schloss sich hier ein modernes Gebäude aus Glas und Stahl an. Unter der transparenten Decke hingen Lampen aus spiegelndem Metall, die wie Geschwader fliegender Untertassen aussahen. Durch gläserne Türen gelangten die beiden auf den Bahnhofsplatz.
    Sophia brauchte einen Moment, um sich zu orientieren. Im letzten Sommer erst war sie anlässlich des Lucerne Festival in der Stadt gewesen. Ihre Schulklasse hatte ein Konzert im KKL besucht – die hervorragende Akustik im großen Saal des Kultur- und Kongresszentrums Luzern galt in der Welt als beispiellos. Rechts sah sie die Brücke, wo der Vierwaldstätter See in die Reuss abfloss. Die von dort kommenden Fahrspuren verzweigten links in zwei große Straßen.
    Jetzt erst fiel ihr ein, dass die Fahrbahnüberquerung an dieser Stelle verboten und wegen des starken Verkehrs ohnehin kaum möglich war. Sie lotste ihren Freund kurzerhand zurück in das gläserne Gebäude, über eine Rolltreppe hinab in eine unterirdische Ladenpassage und auf der anderen Seite des Platzes wieder nach oben.
    »Hast du schon eine Idee, wie wir Meister Dei Rossi finden?«, fragte Theo.
    »Ja.« Sie deutete nach rechts, wo der Bahnhofsplatz in die Pilatusstraße überging, eine dicht befahrene, vierspurige Allee, auf der sich die Geschäfte aneinanderreihten wie Perlen an einer Kette. Nur wenige Schritte entfernt lag ein Juweliergeschäft. »Wenn er wirklich so eine Legende ist, wie das Internet behauptet, dann müsste ihn in dieser Stadt jeder Kollege kennen. Komm!«
    Ein helles Glöckchen kündete die Ankunft der potentiellen Kunden an. Ein gelangweilt wirkender Mann mittleren Alters nahm hinter seinem Auslagentisch Habachtstellung ein. Er trug einen dunkelgrauen Anzug, ein weißes Hemd und vermutlich literweise Pomade im Haar. Vor seiner Brust hing an einer goldenen Brillenkette eine so gut wie transparente Lesehilfe. Für das junge Paar präsentierte er aus dem Sortiment seiner Freundlichkeiten die billigste Ausgabe eines Lächelns. Dabei taxierte er die beiden mit schweizerischer Gründlichkeit im Hinblick auf versteckte Kaufkraftindikatoren. Markenkleidung, Rucksack, dunkle Augenringe, ein Junge mit verstrubbeltem Haar – das war eine schwer einzuschätzende Kombination.
    Nachdem Sophia den Tresen erreicht hatte, ließ er sich zu einem nicht gerade überschwänglichen » Grüezi metenand « herab und fragte, was er für sie tun könne.
    »Ich suche einen Mann.«
    »Die Kantonspolizei ist gleich hier um die Ecke.« Der Juwelier gab mit der Hand die ungefähre Richtung an, ohne sich allerdings dabei zu verausgaben. Sein Gesicht blieb die ganze Zeit so starr wie bei einem Bauchredner.
    »Er ist ein Kollege von Ihnen.«
    »Branchenverzeichnisse liegen in der Post aus. Oder wenn Sie das Internet bevorzugen …«
    »Genauer gesagt handelt es sich um Herrn Nico dei Rossi.«
    Eine Augenbraue des Juweliers nahm die Form eines Winkels mit nach oben gekehrter Spitze an. »Dei Rossi, sagten Sie?«
    »Kennen Sie ihn?«, fragte Sophia, obwohl die Augenbraue den blasierten Schmuck- und Uhrenhändler längst verraten hatte.
    »Ich hätte meinen Beruf verfehlt, wenn ich ihn nicht kennen würde. Warum fragen Sie, falls ich fragen darf?«
    »Es geht um meine Tante.«
    »Ihre Tante«, erscholl ein tonloses Echo aus dem Mund des Edelmetallverkäufers.
    »Genauer gesagt meine Großtante. Der Name Lotta Kollin sagt Ihnen nicht zufällig auch etwas?«
    »Wird das jetzt ein Ratespiel? Von so einer Frau habe ich noch nie gehört. Außerdem bin ich sehr beschäftigt.«
    Sophia bemerkte, wie sich Theo irritiert in dem leeren Laden umsah.
    »Noch mal zurück zu Herrn Dei Rossi«, griff sie ihre ursprüngliche Frage wieder auf. »Können Sie mir seine Adresse sagen?«
    »Ja.«
    »Das ist sehr freundlich

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