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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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zierliche Frau trat in den Flur.
    »Und das ist mein Täubchen«, stellte der Uhrmacher sie vor. Dabei schwang in seiner Stimme etwas ungemein Liebevolles.
    Sophia merkte, wie Theo die alte Dame anstarrte. Ihm ging es wohl genauso wie ihr. Selten, wenn überhaupt, hatte sie eine Frau gesehen, bei der sich Alter und Schönheit so harmonisch miteinander verbanden. Ihr halblanges Haar war eine Pracht aus großen schneeweißen Locken. Selbst ihre Falten – es gab nicht allzu viele – wirkten wie die dekorative Drapierung in einem kunstvollen Stillleben. Ihre Haut war auffallend blass. Vermutlich hatte sie deshalb auf ihre Wangen ein dezentes und zugleich keckes Rouge aufgetragen. Auch der anmutige Schwung ihrer vollen Lippen war mit ein wenig roter Farbe verstärkt worden. Ihre dunklen Augen leuchteten die zwei Besucher mit einer freundlichen Lebendigkeit an, die wohl jeden sofort für sich eingenommen hätte.
    »Guten Tag«, sagte sie und schüttelte zuerst Sophia, dann Theo die Hand. Man hatte unwillkürlich Angst, ihre grazilen Finger zu zerdrücken. »Ich heiße übrigens nicht Täubchen, sondern Laura. Habt bitte etwas Nachsicht mit meinem Schatz, im Gegensatz zu mir ist er schon in den Neunzigern.«
    Nico warf die Hände in die Höhe. » Mamma mia, Laura! Wie das klingt. Als wäre ich der senile Greis und du das junge Ding, das ich verführt habe. Ich bin gerade erst einundneunzig geworden und du … Na ja, über das Alter von Frauen spricht man nicht.«
    Sie lachte fröhlich. »Wenn man neunundachtzig ist, hat man die Eitelkeit überwunden.«
    »Sie wirken beide noch erstaunlich fit«, sagte Sophia, nicht nur aus Nettigkeit, sondern aus Überzeugung.
    Laura bedankte sich für das Kompliment.
    Ihr Mann lächelte, wie es nur alte Leute können, die mehr wissen, als andere sich vorstellen können. »Also mich haben die Uhren jung gehalten, weil sie so viele Geschichten erzählten. Meinen Laden habe ich inzwischen in jüngere Hände gegeben, aber zum reinen Vergnügen bringe ich immer noch die Herzen kranker Uhren zum Schlagen.«
    Sophia bemerkte, wie Laura verstohlen das Weltenei in ihren Händen musterte (das von Fabergé hielt mittlerweile Theo fest) und dann ihre Augen nach oben wandern ließ, bis sich ihre Blicke trafen. Ein wissendes Lächeln umspielte dabei Lauras rote Lippen. »Anscheinend habt ihr auch einen Patienten für den Doctor Doolittle der Maschinen mitgebracht.«
    Doctor Doolittle? Herzen kranker Uhren? Patienten? Ein bisschen seltsam waren die beiden ja schon. Sophia zeigte noch einmal das Nürnberger Ei. »Wenn Sie das hier mit Patient meinen, dann lautet die Antwort: Ja.«
    »Jetzt kommt erst mal in die gute Stube«, sagte der Herr des Hauses und trieb die Gäste mit ausgebreiteten Armen durch den Flur in ein großes, auffallend helles Eckzimmer zur Rechten.
    Es war der Wohnraum, für Sophias Geschmack etwas zu altmodisch, aber die Mischung aus alpenländischer Gemütlichkeit und Noblesse hatte einen gewissen Charme. Alles wirkte schlicht und doch edel: die burgunderroten Stofftapeten, der Perserteppich auf dem Eichenstabparkett, der massive, fast rohe Bauernschrank, die Mingvase mit den Schilfkolben, die im ganzen Raum verteilten Lampen aus Halbedelsteinen und natürlich die Uhren. Ihre Zahl übertraf wahrscheinlich noch die der Kollin’schen Sammlung in Berlin.
    »Einige meiner kleinen Lieblinge sind sehr kostbar. Ich leihe gelegentlich ein paar ans Internationale Uhrenmuseum in La Chaux-de-Fonds aus«, bemerkte Nico, weil ihm wohl der staunende Blick des Mädchens aufgefallen war. Er deutete zu einer Sitzgruppe. »Bitte macht es euch bequem.«
    Sie nahmen auf einer Zweiercouch an einem niedrigen ovalen Kupfertisch Platz, der einem riesigen Ziffernblatt nachempfunden war. Die weichen Formen erinnerten Sophia unwillkürlich an die fließenden Uhren von Salvador Dali. Das Sofa war, den Sitzgewohnheiten älterer Herrschaften angepasst, ziemlich hoch und fest gepolstert. Ihr Gastgeber wählte einen Sessel rechts von ihnen. Seine Frau versprach, in wenigen Minuten mit einem Tee zurückzukommen, und entschwand in die Küche.
    »Darf ich mir das Sorgenkind einmal ansehen?«, fragte der alte Uhrmacher. Er deutete mit dem Kopf auf das Nürnberger Ei.
    Sophia reichte es ihm.
    Er schaltete eine hinter ihm stehende Lampe ein und begann mit einer zunächst oberflächlichen Begutachtung des Objekts. Als er es von allen Seiten betrachtete, fiel ihr einmal mehr auf, wie ruhig seine feinen Hände noch

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