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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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gewesen sein, jetzt wirkte sie nur noch streng. Mit argwöhnischem Blick blieb sie hinter der Glastür stehen.
    »Sind Sie Frau …« Sophia hatte Lotta Kollin sagen wollen, besann sich hier in der Öffentlichkeit aber gerade noch eines Besseren. »Frau Karla Sprüngli?«
    »Ja. Seid ihr die zwei …? Ihr wisst schon.« Lottas Misstrauen war unüberhörbar. Beim Klang ihrer rauen Stimme musste man unwillkürlich an heißen Asphaltdenken.
    »Die beiden, die Herr Nico dei Rossi telefonisch angekündigt hat«, erriet Sophia, was ihre Großtante andeuten wollte, und stellte sich mit vollem Namen vor. Hierauf deutete sie auf ihren Freund. »Und das ist Theophilos, der Junge aus dem …« Ei formten ihre Lippen, wobei sie den äußeren Umriss desselben mit ihren Händen nachempfand – Handballen und Fingerspitzen legte sie hierzu aneinander.
    Lottas blaue Augen huschten nach links und rechts, um die Gasse nach werweiß was abzusuchen. Dann zog sie rasch einen Schlüssel aus ihrer Jackentasche und schloss die Tür auf.
    »Kommt rein, aber flott!«, raunte sie und wedelte dabei ungeduldig mit der Hand.
    Sophia und Theo huschten in den Laden.
    Sobald sie drinnen waren, sperrte Lotta die Tür wieder zu. Mit der Hand ins dämmrige Innere deutend, sagte sie: »Gehen wir hinter die Stellwand. Da sind wir ungestört.«
    Die Antiquitätenhändlerin übernahm die Führung. Abgesehen von ein paar kleineren, alten Möbeln war ihr Geschäft vor allem mit Standuhren, Wanduhren, Büffetuhren, Taschenuhren, alten Kompassen und Sextanten, einer auf Hochglanz polierten Registrierkasse und anderen technischen Geräten aus dem vorelektronischen Zeitalter angefüllt. Wie vermutet hatte sie ihren Schreibtisch gegen neugierige Blicke von der Straße mit dem Paravent abgeschirmt. Das Möbel hatte keinerlei Unterschränke, nur vier verschnörkelte Beine.
    In der Deckung des Sichtschutzes wurde Lotta merklich ruhiger. Sie dirigierte den Jungen durch Fingerzeig zu zwei barocken Schemeln, die er als Sitzgelegenheit für sich und Sophia herbeischaffen sollte, und ließ sich selbst in einen grün-gold gepolsterten Chippendalestuhl sinken. Während Theo den Rucksack abnahm und ihn unter der Schreibplatte an eines der Tischbeine lehnte, atmete sie erleichtert auf.
    »Bist du wirklich Sophia, die Tochter von Rasmus und Enkelin von Ole Kollin?«, fragte sie, nachdem alle saßen. Sie sprach Hochdeutsch mit einem kaum merklichen schweizerischen Akzent. Sonderlich herzlich war ihr Ton noch immer nicht.
    »Ich kann dir meinen Ausweis zeigen, Tante …«
    »Schon gut. Ich glaub’s dir. Wenn du Nico überzeugt und ihm, wie er sagte, tatsächlich die Uhr gezeigt hast, dann muss ich dir glauben.« Das klang schon etwas milder. Sie bekam plötzlich einen rührseligen Ausdruck und schüttelte den Kopf, als wolle sie sagen: Dass ich das noch erlebe! Stattdessen wurde ihr Ton wieder streng. »Seid ihr verfolgt worden?«
    »Nicht dass ich wüsste?« Sophia bemerkte, wie Theo unverwandt das dauergewellte Flammenmeer auf Lottas Kopf anstarrte.
    »Niemand, der wie ein Betreibungsbeamter aussieht?«
    »Ein was?«
    »In Deutschland heißt er Gerichtsvollzieher. Ein Zwangsvollstrecker. Einer, der dir den Stuhl unter dem Hintern wegpfändet.«
    Sophia zuckte unschlüssig mit den Schultern. »Weiß nicht.«
    »Oder wie ein Blinder mit Krückstock?«
    Sie suchte Blickkontakt mit Theo, aber der war ganz auf Lottas Feuerschopf fixiert.
    »Kennt Ihr ihn?«, meldete er sich unvermittelt zu Wort, ohne seinem Gegenüber in die Augen zu sehen.
    »Was ist mit deinem Freund? Hat er nicht alle Tassen im Schrank?«, fragte Lotta ihre Großnichte.
    »Ich glaube, deine Haarfarbe verwirrt ihn, Tante Lotta.«
    Sie lachte rau. »Die ist falsch, Junge.«
    Er deutete auf ihren Kopf. »Die Zehngliedrigen Pandinen hatten dieselbe …«
    »Das ist jetzt nebensächlich, Theo«, fuhr Sophia ihm über den Mund.
    Lotta machte eine wegwerfende Geste. »Ich färbe sie mir, seit ich vierzig bin – das war vor sechsunddreißig Jahren.«
    »Also seid Ihr zehn Jahre jünger als Euer Bruder«, stellte Theo fest.
    Lotta stutzte. »Woher weißt du das?«
    »Ole hat regelmäßig mit dem Nürnberger Ei gesprochen, aus dem ich ihm zuhören konnte.«
    Sie schüttelte ungläubig den Kopf. »Dann stimmt es wirklich. Du bist …?«
    Er nickte. »Theophilos – der Junge aus dem Ei. Aber bitte sagt Theo zu mir.«
    »Nur wenn ich Lotta für dich bin. Das geschwollene Ihr und Euer kannst du dir sparen. Sag du . Als

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