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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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ungewöhnlichen Stimme des Hauptlosen nicht entgangen war. »Ich wollte es dir leichter machen, aus dem Wald herauszufinden.«
    »Das mag ja sein«, jammerte Nullus, »aber ich habe wahnsinnige Kopfschmerzen.«
    »Das ist albern«, grunzte Lykos. »Ein Ohnekopf kann alles haben, nur keine Migräne.«
    »Doch«, widersprach ich. Hyrkan hatte einmal von einem Piraten erzählt, der beim Entern eines Schiffes seinen Arm eingebüßt und später trotzdem unter Schmerzen in der Hand geklagt hatte. Poseidonios nannte das Phänomen Phantomschmerz. »Wahrscheinlich hat euer feiner Weltenschöpfer ihn ursprünglich mit Haupt machen wollen und dann auf halber Strecke die Lust verloren. Nullus kann das jetzt spüren.«
    »Siehst du, er versteht mich«, quietschte der Ohnekopf zum Wolf. »Nur lindert das kaum meine Qualen.«
    »Lass mich mal schauen«, sagte ich und machte mich sofort an die Untersuchung des Patienten. Unter seiner linken Achsel entdeckte ich eine Klappe. »Heb bitte den Arm hoch.«
    »Bist du Maschinenmedikus?«, fragte er argwöhnisch, während er meine Anweisung befolgte.
    »So etwas Ähnliches. Ich bin bei genialen Gelehrten und Mechanikern in die Lehre gegangen … Ah, da haben wir den kleinen Unruhestifter ja! Ist nur eine Zahnradwelle, die aus dem Lager gesprungen ist.« Ich langte in den Brustkorb des Maschinenmannes und renkte das Maschinenteil mit einem Handgriff wieder ein. Zufrieden klappte ich den Deckel zu. »Jetzt bist du wie neu.«
    »Tatsächlich!« Nullus staunte. »Die Migräne ist wie weggeblasen. Du bist ein großer Heiler.«
    »Mein Vater ist einer gewesen«, sagte ich in einem Anfall von Wehmut, »aber ich bin nur ein Niemand.«
    »Niemand ist ein Niemand«, versetzte Lykos in seiner einsilbigen Art.
    »Wo kommst du her und wo willst du hin?«, fragte mich der Ohnekopf.
    »Ich bin gestern von der Außenwelt hierher verbannt worden. Der Wolf und ich sind auf dem Weg zur Zeitwäscherei. Ich möchte den König nach dem Verbleib meines Lehrmeisters fragen und ihn auffordern, die kosmische Ordnung wiederherzustellen.«
    »Da hast du dir viel vorgenommen«, quietschte Nullus. »Es heißt, Oros höre auf niemanden. Allerdings bist du wohl auch das erste Menschenkind in Mekanis. Vielleicht leiht er dir ja sein Ohr.«
    »Komm doch mit uns, Nullus. Mir scheint, wir könnten noch ein paar starke Gefährten gebrauchen.«
    »Vor allem wenn sie kopflos sind«, knurrte Lykos unwillig.
    Der Maschinenmann riss freudig die Augen auf. »Gerne begleite ich dich. Ich fürchtete schon, du würdest mich hier stehen lassen.«
    »Es dürfte ziemlich gefährlich werden«, sagte der Wolf.
    »Gibt es denn ein Leben ohne Gefahr?«, erwiderte Nullus. Er wandte sich mir zu. »Du hast mich beseelt. Ich folge dir, wohin immer du mich führst.«

27
    W ir verbrachten die Nacht an einem kleinen Wasserlauf. Am nächsten Morgen hatten meine sonderbaren Gefährten und ich den Ungeheimen Wald endlich durchquert. Er grenzte an einen leicht geschwungenen, etwa eine Viertelmeile breiten Streifen patinafarbenen Metallgrases. Daran schloss sich ein Feld aus geraden, armdicken, eisernen Rohren an. Sie waren hoch wie Fahnenstangen und, dem Bambus ähnlich, in Segmente unterteilt, welche allerdings über knickbare Gelenke verfügten. So konnten sie sich einerseits wie Angelruten neigen und zugleich wie Säbel biegen.
    Und das taten sie in einem ständigen, von Schaben und Quietschen begleiteten Auf und Ab. Erst reckten sich sämtliche Ruten wie Speere in die Höhe, dann erscholl ein vielstimmiges Klick!, und anschließend senkten sie sich wieder ab, wobei sich alle nach einem festen Schema verbogen, bis sie sich am Boden nahtlos aneinanderschmiegten. Klack! machte es und die Rohre richteten sich erneut auf.
    »Das ist die Blume der Ehernen Ruten «, bemerkte Nullus. Mein Staunen war ihm also nicht entgangen.
    »Das ist eine einzige …?« Mir blieb die Spucke weg.
    »Die Blüte ist das Kolossalste, was unsere Flora zu bieten hat. Ich habe mir von einem Halbgoldbäuchigen Eisenstaubsauger sagen lassen, sie sähe aus der Vogelperspektive wie der Samenstand einer Sonnenblume aus.«
    »Was ist ein Halbgoldbäuchiger Eisen…?«
    »…staubsauger. Es ist eine Insektenart, die den großen Automantenherden folgt und den Eisennektar sammelt, den sie von den Felsen kratzen.«
    Mein Blick kehrte zur Ehernen Rutenblume zurück. Das Auf und Nieder erinnerte mich an eine Uhr. Nur die Geräusche störten etwas das Bild. »Jemand müsste sie mal

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