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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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fangen und in der Zeitwäscherei abzuliefern.«
    »Das ist dann ja wohl schiefgegangen«, bemerkte der Wolf lakonisch. Und sich an den Jungen wendend, fügte er hinzu: »Jetzt hast du alles gehört, was wir wissen müssen. Können wir gehen?«
    »Warte noch.« Ich legte meine Hand wieder auf die Stelle zwischen den Hörnern des Automanten, um ihn spüren zu lassen, dass wir nun beide genauso lebendig waren. »Wir verfolgen eine Gliederpuppe des Königs. Sie hat mir etwas gestohlen, das für die Menschenwelt und besonders für mich sehr wichtig ist.«
    »Du meinst den kosmischen Mechanismus, der wie ein Ei aussieht? Den sollten wir Gardisten auch sicherstellen.«
    Ich nickte. »Wärst du bereit, mir bei der Jagd danach zu helfen, Thaurin?«
    »Es wäre mir eine Ehre.«
    Nullus quietschte ergriffen.
    Lykos knurrte.
    Ich ahnte, was im Sinn des Wolfes vor sich ging. »Kann ich dir vertrauen, Thaurin?«
    Der Nashorn-Stier-Mensch zerrte an den Stangen, die seinen Kopf in schräge Haltung zwangen. »Ich würde gerne mein Knie vor dir beugen, Menschenkind, aber das ist mir leider unmöglich. Du hast mich zu einem lebenden Wesen gemacht, Theo. Oros hätte das nie getan und unsere Unversehrtheit ist ihm auch egal. Jetzt wo ich einen eigenen Willen habe, folge ich lieber aus freien Stücken jemandem, der Mitleid mit mir gezeigt hat, als einem König, der alle nur nach seiner Pfeife tanzen lässt.«
    »Dann will ich dir glauben«, sagte ich feierlich.
    Nullus wippte zustimmend mit dem Oberkörper, was seine Art zu nicken war.
    »Aber ich nicht«, legte Lykos Einspruch ein.
    »Soll ich bei ihm einen anderen Maßstab anlegen als bei dir oder Nullus?«, entgegnete ich und machte mich an die Untersuchung der Ruten, die den Dreifach Gehörnten Automanten festhielten.
    »Nicht jeder, den du belebst, ist automatisch gut und verlässlich. Vernunftbegabte Wesen sind nämlich keine seelenlosen Maschinen, falls dir das noch nicht aufgefallen ist. Thaurin könnte sich als Verräter entpuppen. Immerhin gehört er der königlichen Leibgarde an.«
    Die Bemerkung gab mir durchaus zu denken, doch ich ließ mich davon nicht beirren. Wenn ich allen misstraute, würde ich am Ende allein dastehen. Mit trotziger Entschlossenheit berührte ich um den Automanten herum eherne Ruten, bis ein Ächzen und Knarren mich zurückweichen ließen.
    Ich konnte zusehen, wie sich mit der Verfärbung der belebten Rohre auch die Verspannungen lösten. Thaurin bekam erst den Kopf und nach einigem Rütteln seinen Körper frei. Mit einer zuvor noch nicht da gewesenen Geschmeidigkeit wand er sich aus dem knarrenden und knirschenden Stangengewirr.
    Kaum hatte er genügend Abstand gewonnen, peitschten mit ungeheurer Wucht mehrere Ruten nieder.
    »Das war knapp. Fast hätte es dich zerlegt«, bemerkte Lykos. »Möglicherweise wären wir dann besser dran.«
    »Ich kenne dich, Wolf«, sagte Thaurin. »Früher hat man dich den Zermalmer genannt: Du hast auf Befehl des Königs viele Geschöpfe zerrissen und ihre Teile zwischen deinen Zähnen zermahlen. Was von ihnen übrig blieb, verrottet heute im Tal der Gebeine. So einer wie du darf wohl kaum mit der Pfote auf andere zeigen und behaupten, sie seien nicht redlich.«
    Mir sank der Unterkiefer herab. Ich fühlte mich betrogen. Zwar hatte ich den seltsamen Beinamen »Zermalmer« schon von Lykos selbst gehört, ihn aber nur als Drohgebärde gegenüber Nullus oder als Selbstbeweihräucherung aufgefasst. Dabei war es ein königlicher Amtstitel. Mit vorwurfsvollem Blick sah ich den Wolf an. » Du warst ein Häscher von Oros? Jetzt ist mir klar, warum du gleich nach meiner Ankunft bei mir aufgekreuzt bist. Ist das der Grund, weshalb du niemand anderen in unserer Gemeinschaft dulden wolltest? Hattest du Angst, jemand könne den Zermalmer erkennen?«
    Lykos senkte bedrückt die Schnauze. »Das stimmt. Aber nicht, weil ich ein Spitzel des Königs bin. Mir geht es wie Thaurin. Ich bin durch dich nicht nur lebendig, sondern auch frei geworden. Niemals würde ich dir dafür mit Verrat danken.«
    Ich war hin und hergerissen. Argwöhnisch musterte ich den Wolf und versuchte, in seinen goldgelben Augen zu lesen.
    »Lykos ist zwar eine alte Kratzbürste«, beendete Nullus das angespannte Schweigen, »doch ich glaube, er sagt die Wahrheit. Und Thaurin …?« Der Ohnekopf taxierte den Sechsgliedler aus seinen blauen Brustaugen.
    Plötzlich wirbelte der Dreifach Gehörnte Automant herum. Ich zuckte zusammen. Wollte er fliehen? War sein

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