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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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waberte ein metallisch-muffiger Dunst, der das Atmen zur Qual machte. Als ich wegen eines Hustenanfalls stehen blieb, übersprang mein Blick einen halb zerfallenen Drachen und verhakte sich an etwas Lichtem, dessen Glanz heller war als alles andere hier.
    »Ein Goldbär«, kommentierte Lykos. Er hatte es also auch bemerkt.
    Ich ließ mich von Thaurins Rücken rutschen, stieg über die rostige Schwanzspitze des Drachen hinweg und ging neben dem putzigen Kerlchen in die Hocke. Das pummlige Tiergeschöpf mit den kurzen Ärmchen und Beinchen war kaum größer als zwei zusammengelegte Fäuste und offenbar aus echtem Gold gemacht. Wie alle Mekanisier hatte es nur leere Augenhöhlen.
    »Tu es bitte nicht«, sagte Lykos.
    Ich streckte die Hand aus und hob den Bären vom Boden auf. Während ich mich aufrichtete, schlug der Kleine die Augen auf. Sie leuchteten in einem tiefen Bernsteinton.
    Der Wolf ließ den Kopf hängen und seufzte.
    »Was ist verkehrt daran, jemandem Leben und einen freien Geist zu schenken?«, fragte ich unwillig.
    Lykos schüttelte nur das graue Haupt.
    »Hast du dir schon überlegt, was mit uns geschieht, wenn du dein Ziel erreichst?«, entgegnete an seiner statt Thaurin.
    Ich verspürte plötzlich das dumpfe Gefühl bleierner Schwere. Nein, darüber hatte ich noch nicht nachgedacht. Sollte es mir gelingen, die Welten wieder umzustülpen, würde Mekanis wohl in seine Starre zurückfallen und damit auch sämtliche Geschöpfe, die ich hier beseelt hatte. Meine neuen Freunde eingeschlossen. Es sei denn …
    »Ich nehme euch mit in die Menschenwelt«, verkündete ich.
    Die Blicke der drei Mekanisier tauschten stumme Botschaften aus, die sich mir nicht erschlossen. Ich wollte sie eben danach fragen, als sich in meinen Händen etwas regte, begleitet von einem hellen Quietschen und Schnarren. Neugierig sah ich nach unten.
    »Würde mich bitte auch mal jemand beachten?«, beschwerte sich der Goldbär mit einem feinen, samtweichen Stimmchen.
    »Entschuldige, Kleiner. Wir hatten gerade ein ernstes Gespräch.«
    »Sehe ich aus wie eine Witzfigur?«
    »Äh … nein. Wie darf ich dich nennen? Goldbärchen?«
    »Bitte nicht! Ich bin Arki, und ich schätze es außerordentlich, wenn man mich mit meinem vollständigen Namen anspricht. Keine Koseworte und Abkürzungen bitte.«
    »Wie soll man Arki noch abkürzen?«
    »Arkh!«, schlug Lykos mit einem asthmatischen Keuchen vor.
    »Sehr komisch«, sagte Arki und sah wieder mich an, in dessen Händen er lag. »Und du bist?«
    »Theophilos von Menosgada. Du darfst ruhig Theo zu mir sagen. Wie bist du hierhergekommen, Arki? Außer deinem Quietschen scheint dir nicht viel zu fehlen.«
    »Tut’s auch nicht. Früher habe ich Oros die Zeit vertrieben. Irgendwann wurde er seines Spaßmachers überdrüssig und hat ihm einen Fußtritt verpasst. Einen ständig quietschenden Narren wollte er danach nicht mehr haben. So landete ich auf dem Friedhof der Maschinen.«
    »Das war gemein.«
    »Wem sagst du das!«
    »Sobald wir hier raus sind und nicht gerade vor den Schergen des Königs davonlaufen, schaue ich mir mal dein Innenleben an. Vielleicht kann ich richten, was er verbogen hat.«
    »Das würdest du für mich tun?«, fragte Arki. Er schien kaum fassen zu können, welche Gnade ihm zuteilwurde.
    »Klar, wieso nicht? Wir sind übrigens auf dem Weg in die Zeitwäscherei. Dein früherer Herr soll mir sagen, wo mein Freund ist, der Philosoph Poseidonios. Außerdem muss er die Menschenwelt wieder ankurbeln und uns dorthin zurückbringen.«
    »Zu Oros wollt ihr?« Der Goldbär rollte sich aufgeregt herum, rappelte sich auf die Füße hoch und streckte mir die kleinen Arme entgegen. »Ihr müsst mich unbedingt zu ihm mitnehmen. Ich habe da eine Rechnung mit ihm zu begleichen, so schändlich wie er mich behandelt hat. In Stücke werde ich ihn reißen. Wenn ihr mir dabei helft, es diesem Goldbärenschinder ordentlich heimzuzahlen, dann ist Arki auch für euch da.«
    »Ein berserkernder Goldbär – das hat uns gerade noch gefehlt«, knurrte Lykos.
    » Bitte, bitte, bitte!«, bettelte Arki.
    »Ist ja schon gut«, sagte ich. »Kennst du dich im näheren Umfeld des Königs aus?«
    »Natürlich. Ich war einmal sein Schoßbärchen.«
    »Das ist gut«, murmelte ich. »Das ist sogar sehr gut.«
    Nicht nur für mekanische Verhältnisse war es ein ungewöhnliches Bild: Unten lief ein ungewöhnlich großer Automant, auf dem ritt ein ungewöhnlicher Junge und auf dessen Schulter saß ein kleiner,

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