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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Ein hinreichend bemessener Sicherheitsabstand schützte die ummauerte Befestigungsanlage vor Geschossen aus Stein- oder Speerkatapulten. Ihre Ziegel seien aus Eisenton gebrannt und sehr fest, erklärte Thaurin, als die Wachautomaten uns nicht mehr hören konnten.
    »Ich habe nicht die Absicht, es einzunehmen«, sagte ich.
    »Aber ich.«
    »Wie bitte?«
    »Na ja, eindringen wäre vielleicht das bessere Wort. Ich will mich nach der Gliederpuppe umhören.«
    Am Zugang zum Kastell wendete Thaurin dieselbe List an, die uns schon das Gebeinetor geöffnet hatte. Selbstbewusst, wenn auch erkennbar mechanisch, verlangte er nach dem Kommandanten des Lagers.
    Kurze Zeit später sprach er mit einer voluminösen Ritterrüstung und erkundigte sich nach der Puppe. Lykos, Nullus und Arki warteten auf dem Exerzierplatz. Nur ich, der Gefangene aus der Außenwelt, wurde dem Befehlshaber vorgeführt, weil er sonst wohl nicht gewusst hätte, wie ein Mensch aussah.
    Für mich klang die Unterhaltung der beiden Kriegsleute ziemlich monoton. Der Kommandant versicherte sachlich, man habe in den letzten Tagen nur zwei Gliederpuppen gesehen und die seien in Einzelteilen zum Maschinenfriedhof gebracht worden.
    »Solltet Ihr dennoch eine entdecken, dann nehmt sie in Gewahrsam«, verlangte Thaurin mit fester Stimme, aber genauso gefühllos. »Sie will uns daran hindern, dieses Menschenkind unbeschadet in der Zeitwäscherei abzuliefern.« Er wies mit seiner menschlichen Rechten auf mich.
    »Gliederpuppen sehen alle gleich aus. Hat sie irgendein besonderes Merkmal?«
    Sag jetzt nichts von den Augen! , flehte ich im Stillen. Sie zu erwähnen, würde den Kommandanten womöglich darauf aufmerksam machen, dass auch mein Bewacher welche besaß.
    »Sie besitzt eine tiefe Schramme quer über der Brust«, antwortete Thaurin. »Ich selbst habe sie ihr beigebracht. Sie ist uns entkommen.«
    Mir entwich ein Seufzen.
    »Ich werde meinen Rüstungen befehlen, ihre Visiere offen zu halten«, versprach der Kommandant. »Braucht Ihr sonst noch irgendetwas für Euch oder Eure Gehilfen? Öl? Putzlappen? Sind irgendwelche Schrauben locker?«
    »Danke. Wir laufen alle wie geschmiert. Nur für den Menschen hier möchte ich um Wasser bitten. Und wenn Ihr etwas zu essen hättet?«
    »Wir müssen erst neue Vorräte besorgen. Ich kann Euch nur anbieten, was in meinem mechanischen Obst- und Gemüsegarten wächst.«
    »Wo finde ich ihn?«
    »Hinter meinem Quartier – das größte Haus im Kastell. Wir züchten in den Beeten unsere Zielscheiben für die Waffenübungen. Falls es Euch dabei hilft, Euren Gefangenen in Schuss zu halten, dann schaut Euch ruhig darin um.«
    »Danke. Das werden wir tun.«
    Die Zielscheiben waren Kürbisse unterschiedlicher Größe. Nachdem ich sie belebt hatte, schmeckten sie gar nicht einmal so schlecht. Das Wasser hatte ein dezentes Kupferaroma.
    »Wir sollten allmählich aufbrechen«, drängte Thaurin. Die Gefährten hatten mir eine ganze Weile staunend beim Essen zugesehen.
    Ich wischte mir den Mund ab. »Komisch. Ich hatte weder Hunger noch Durst gehabt, und jetzt wo ich futtere, kann ich nicht mehr aufhören.«
    »Das ist unübersehbar. Tu es trotzdem.«
    »Wisst ihr, was ich merkwürdig finde, Freunde?«
    »Du wirst es uns bestimmt gleich sagen«, erwiderte Lykos.
    »Der Kommandant hat sich überhaupt nicht gewundert, als Thaurin ihn nach Essen fragte. Er sagte sogar, die Vorräte müssten erneuert werden. Gibt es denn irgendwelche Maschinen, die essen?«
    Alle sahen sich fragend an. Dann verneinten sie durch Schütteln der dafür geeigneten Körperteile.
    Thaurin scharrte ungeduldig mit dem Huf. »Worauf willst du hinaus, Theo?«
    »Ich bin nicht der einzige Mensch in diesem Kastell. Vielleicht ist mein Meister hier, der Philosoph Poseidonios.«
    »Soll ich mich mal umsehen?«, erbot sich Arki.
    Lykos schnaubte. »Ein königlicher Schmusebär auf Erkundungstour. Unauffälliger geht es wohl nicht. Ich werde das übernehmen. Mich kennen die Rüstungen. Früher bin ich des Öfteren durchs Gebeinetor getrabt.«
    Ohne auf eine Antwort zu warten, erhob er sich und trottete über den Exerzierplatz davon.
    Ich aß immer noch, als der Wolf zurückkehrte. Es war kaum mehr als der zehnte Teil einer Stunde vergangen. Lykos sah mich aus seinen gelben Augen intensiv an und sagte: »Theo, du musst jetzt sehr stark sein.«
    »Wi-wieso?«, stotterte ich. War Poseidonios tot?
    »Du bist tatsächlich nicht das einzige Menschenkind hier.«
    Mir rutschte das

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