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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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quietschen und zu klappern und gingen irgendwann kaputt. Mein Blick wanderte hinüber zum Tal der Gebeine.
    Als die Puppe an Nullus’ Versteck vorbeikam, sprang er hinter dem Felsen vor, um sie zu packen.
    Damit war das Katz-und-Maus-Spiel eröffnet. Die Chancen standen eindeutig zugunsten der Jäger.
    Die Gliederpuppe – in der Rolle des Beutetiers – reagierte überraschend schnell. Trotz ihrer hölzernen Bewegungen entwischte sie dem eher tumben Ohnekopf und seine Hände griffen ins Leere. Durch den Bogen, den sie dabei schlug, kam sie dem »Kater« Theo sehr nahe.
    Ich versuchte, ihr den Weg zu verstellen. Vorausschauend hatte ich mich mit zwei Eisensteinen ausgerüstet und zielte mit dem ersten auf den Kopf der Puppe. Sie duckte sich. Die Klamotte knallte gegen Nullus’ Bauch. Plong!
    Ich schleuderte den zweiten Stein. Diesmal visierte ich den Körper der Gliederpuppe an. Und traf! Pling!
    Sie taumelte auf die andere Seite hinüber und geriet ins Stolpern. Ich witterte meine Chance und lief hinterher. Um nicht lang hinzuschlagen, musste sie auf die Knie niedergehen. Mit der linken Hand hielt sie das Uhr-Ei und den Schlüssel fest, mit der rechten stützte sie sich am Boden ab. In der Hast strauchelte nun auch ich, versuchte, mich noch zwei, drei Schritte weit mit rudernden Armen abzufangen, fiel dann aber doch auf den Bauch und blieb hinter der Puppe liegen. Schnell schnappte ich nach ihrem Fußgelenk.
    Ich hab dich!
    Dieser Gedanke erwies sich als maßlose Selbstüberschätzung, denn die mechanische Diebin hatte weitaus mehr Kraft, als ich jemals würde aufbringen können. Mühelos riss sie sich los, kam wieder auf die Beine und lief auf den Hang zu, der zum Tal der Gebeine hinabführte.
    Ich heftete mich an ihre Fersen.
    Sie näherte sich dem Eisenfindling, hinter dem Lykos lauerte. Plötzlich, so als ahne sie den Hinterhalt, sprang sie auf den Felsen hinauf – und dem Wolf in den Rücken. Ich hörte nur ein Krachen, gefolgt von einem Jaulen. Hatte die Figur meinem Freund das Rückgrat gebrochen?
    Die Gliederpuppe kam wieder zum Vorschein. Ein wütendes Knurren und Bellen ließen erkennen, dass der graue Jäger zumindest keinen Totalschaden erlitten hatte. Während er noch seine metallenen Knochen sortierte, erreichte die Diebin den grasbewachsenen Hang. Auf der schrägen Ebene konnte sie schneller laufen. Die Maus ahnte nichts von dem vierten Kater, der hinter einem großen Felsen auf sie wartete.
    Als sie an dem wuchtigen Hindernis vorbeiflitzen wollte, schoss dahinter Thaurin mit gesenktem Kopf wie eine lebende Kanonenkugel hervor. Eines seiner Stierhörner traf die Puppe an der Brust, kreischte Funken sprühend darüber hinweg und warf sie von den Beinen. Die Wucht des Aufpralls war so furchtbar, dass sie sich mehrmals überschlug, dabei das Uhr-Ei aus den Händen verlor und noch ein ganzes Stück hangabwärts rutschte, ehe sie auf dem Rücken liegen blieb. Der Automant setzte sofort nach und nagelte sie mit seinem rechten Vorderlauf am Boden fest.
    Mir war fast das Herz stehen geblieben, als ich das davonwirbelnde Ei gesehen hatte. Zum Glück war es nicht tief gefallen, sondern eher wie eine flach geschossene Murmel ins Gras eingetaucht. Mit den Augen verfolgte ich den Weg der im Sonnenlicht blitzenden Uhr. Sie kullerte etwa zwanzig Schritte weit nach unten und verfing sich in einem Grasbüschel. Ich atmete erleichtert auf. Hoffentlich hatte sie keinen Schaden genommen.
    Schnell lief ich zu Thaurin. Auch Nullus und der Wolf eilten herbei. Lykos zog einen Hinterlauf nach und quietschte. Der – inzwischen nur noch doppelhörnige – Dreifach Gehörnte Automant hielt die Gliederpuppe mit seinem enormen Gewicht am Boden fest. Oberhalb seines Hufs war eine quer über ihre Brust verlaufende Schramme zu sehen, die sich tief nach innen wölbte. Sie zappelte und schlug nach seinem Bein.
    »Wenn du nicht sofort stillhältst, breche ich dir das Genick«, drohte Thaurin.
    Das beruhigte die Diebin ein wenig. »Hornochse!«, fauchte sie und funkelte ihn aus türkisfarbenen Augen an.
    Ich habe sie beseelt?, wunderte ich mich. Mir fiel der unbedachte Griff an ihr Fußgelenk ein.
    »Wo hast du das Weltenei?«, posaunte Thaurin mit machtvoller Stimme.
    »Such’s doch selbst, du hirnloses Hornvieh!«
    Ein tiefes Grollen drang aus der Kehle des Gehörnten. Es ließ nichts Gutes für die dreiste Diebin erwarten.
    »Ich weiß, wo es ist. Wartet!«, stieß ich hervor. Bei aller Abneigung gegen die Gliederpuppe

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