Der verbotene Schlüssel
Lösung‹?«, fragte Theo.
Oros machte eine vage Geste mit der Hand. »Ich wiederhole mein Angebot aus Berlin: Du erhältst die Teilhaberschaft am Königtum über Mekanis. Als Zweiter nach mir wirst du über eine ganze Welt regieren. Und wenn du Sophia heiraten willst, so könnt ihr euch den Thron teilen.«
»Heiraten?«, gickste Sophia. Ihr Arm mit dem Ei sank auf den Fenstersims herab.
Oros lächelte. »Ich weiß, in deiner Welt ist das jung, aber Theo gleicht das leicht wieder aus. Er bringt zweitausend Jahre Menschenkenntnis mit in die Ehe.«
Sie schüttelte empört den Kopf. »Ich kann’s nicht glauben. Da wird man einfach so verkuppelt …« Als sie Theos Blick auffing, blieb ihr die Entrüstung im Halse stecken. Sie bemerkte in seinen Augen etwas, dass ihr heiß und kalt wurde. In den letzten vier Wochen waren sie Freunde geworden. Gute Kameraden, die miteinander durch dick und dünn gehen, wie sie meinte. In dieser Zeit hatte sie sogar zweimal von ihm geträumt: Sie in seinen Armen, er küsste sie lang und zärtlich … Sie fand die Vorstellung kindisch – er war der Junge aus dem Ei, kein Märchenprinz. In diesem Moment allerdings sah er sie wie eine Frau an, nicht wie ein Mädchen. Und es stimmte ja, er war äußerlich zwar ein Jugendlicher, aber innerlich sicher reifer als mancher Mann. Wünschte sich Theo etwa, das Angebot des mekanischen Königs annehmen zu können?
»Gefühle«, säuselte Oros wie ein hoffnungsloser Romantiker. In Wahrheit verspottete er sie nur, dachte Sophia.
Theo sah ihn ernst an. »Euer Vorschlag hat für mich an Reiz gewonnen, seit ich dieses feenhafte Wesen aus meinen Träumen näher kennenlernen durfte. Mit Sophia die Ewigkeit zu teilen, wäre tatsächlich wunderbar.« Er wandte sich ihr zu. »Aber nicht gegen deinen Willen. Würdest du mich als meine Braut nach Mekanis begleiten?«
Sie schluckte. Ihre Hitzewallungen nahmen zu. Meinte er das jetzt ernst? Er klang so überzeugend … Spiel deine Rolle! , ermahnte sie sich. Seufzend zog sie die Hand aus dem Fenster zurück und ließ das Uhr-Ei wieder in den Rucksack gleiten. Ihre gehauchte Antwort war kaum zu hören. »Ja.«
Oros strahlte. Durch das übertriebene Mienenspiel sah sein Gesicht wie eine venezianische Maske mit Motorradbrille aus. »Entzückend! Klingt doch nach einem wunderbaren Happy End …«
»Unter einer Bedingung werden wir Eurem Vorschlag zustimmen«, fiel Theo ihm ins Wort.
Die Miene des mekanischen Königs versteinerte jäh und sein Tonfall kühlte hörbar ab. »Findest du nicht, es reicht langsam?«
»Ihr dürft weder mich noch Sophia mit bloßer Haut berühren.«
Er reckte demonstrativ alle zehn Finger in die Höhe und wackelte damit. »Ich habe Handschuhe an.«
»Sophia bleibt auf der anderen Seite des Gatters stehen und zieht die Uhr auf«, fuhr Theo fort. »Ihr könnt gar nicht so schnell darüber hinwegsteigen, wie sie das Ei aus dem Fenster geworfen hat, solltet Ihr irgendwelche Schurkereien versuchen. Ich halte mich an ihr fest, und Ihr, Oros, seid das letzte Glied in der Kette.«
Der König grinste. »Wer der Erste oder Letzte ist, hängt immer davon ab, von welcher Seite man zu zählen beginnt. Mir wäre es allerdings lieber, du würdest den Schlüssel …«
»Nein«, unterbrach ihn Theo. »Nicht mal mit Handschuhen dürft Ihr meine Braut anfassen.«
»Und wenn diese Stadt von einem Wirbelsturm oder einem Erdbeben verwüstet wird?«
»Nicht der kosmische Mechanismus hat so viele Katastrophen heraufbeschworen, sondern Eure Tücke, die er in eine zerstörerische Kraft verwandelte.«
»Nein, die Seelenschatten deines Meisters Poseidonios haben sie ausgelöst.«
»Wie auch immer. Sophias Seele ist im Feuer der Trauer geläutert worden. Sie ist licht und rein. Ich vertraue ihr.«
Oros zögerte, auf dem Gesicht ein Ausdruck des Ingrimms. Zu gerne hätte Sophia gewusst, welche Gedanken in seinem boshaften Geist herumspukten. Ob er bedauerte, damals nur ihre Eltern, nicht aber sie, das unbequeme Mädchen, ermordet zu haben?
»Mir bleibt wohl nichts anderes übrig, als das Gleiche zu tun«, sagte der Herr der Zeit schließlich. »Fangen wir an.«
Sophia trat neben ihren Freund. Ihr stellten sich sämtliche Härchen auf, als er hierauf seine Rechte über die hölzerne Barriere hinweg behutsam in ihren Nacken legte. Zugleich streckte er dem Stundenwächter die andere Hand entgegen. Nachdem Oros diese ergriffen hatte, sagte Theo mit ruhiger Stimme: »Nimm das Ei aus dem Tornister,
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