Der verbotene Schlüssel
fehlte plötzlich der Mut, weiter nachzubohren. Stattdessen fragte sie: »Hast du eine Idee, wie wir unseren Plan zu einem glorreichen Abschluss bringen?«
»Fürs Erste würde ich sagen, wir bleiben in der Nähe. Ich werde versuchen, ein paar Vögel zu beseelen, die nach meinen Freunden Ausschau halten …« Ein Knacken im Unterholz ließ ihn innehalten, vom Baum hochfahren und den Dolch ziehen. Seine Augen sprangen hin und her, während er den Wald absuchte.
Auch Sophia war aufgesprungen. Sie hatte das Gefühl, ihr Herz schlage in ihrem Hals. Mit einem Mal entdeckte sie rechts von sich etwas. Ungefähr zwanzig Meter von ihnen entfernt stakste mit eigentümlich steifen Schritten zwischen den Bäumen ein gefiederter Hirsch vorbei. Er schimmerte wie Platin.
»Puh!« Sophia atmete erleichtert aus. »Und ich dachte schon …«
Theo legte ihr rasch die Hand auf den Mund und zeigte mit dem Rückenhorndolch nach links.
Dort war das Unterholz noch dichter. Ein Schatten schlich auf die Lichtung zu, aber sie konnte nicht erkennen, was es war. Mit einem Mal beschleunigte das dunkle Etwas sein Tempo. Zweige knackten. Der gefiederte Hirsch ergriff die Flucht. Äste brachen. Sophia klammerte sich ängstlich an Theo fest, als ein Dreifach Gehörnter Automant mit einem gezückten Schwert auf die Lichtung sprang.
Genau genommen war sein Rückenhorn nur noch ein Stummel und das Paar auf dem Menschenhaupt von Medusas Pandinengift gestutzt.
»Thaurin!«, rief Theo. Er löste sich von Sophia, lief zu seinem Freund, steckte derweil seine Waffe in den Gürtel zurück und fiel ihm um den Hals.
Während die zwei sich noch freudetrunken umschlangen, erschien ein Wolf auf der Lichtung. In seinem Nacken saß ein kleiner goldener Bär. Lykos sah ein bisschen struppiger aus, als Sophia ihn sich vorgestellt hatte, Arki dafür noch putziger. Verlegen schlich sie sich an die Gefährten heran, die mit fröhlichen Lauten in ihrer Wiedersehensfreude schwelgten und sich umarmten. Aber auch traurige Töne waren zu vernehmen, als der Name Nullus fiel. Unvermittelt sah Thaurin sie interessiert an.
»Beim letzten Mal hat Theo dich mir nicht vorgestellt.«
Sie lächelte verschämt. »Es war alles etwas hektisch. Ich bin Sophia.«
»Das Mädchen, das ich im Labyrinth der Zeit gesehen und von dem ich immer wieder geträumt habe«, fügte Theo hinzu, trat an ihre Seite und legte ihr stolz den Arm um die Schulter. »Sophia hat mir geholfen, einen Plan gegen Oros zu schmieden. Und sollte es uns gelingen, ihn auf Dauer loszuwerden, werden wir das sicher zum großen Teil ihr verdanken. Sie ist unheimlich gescheit, und sie hat eine Luftbibliothek, in der ein Haufen Unsinn drinsteht, aber auch die Antwort auf manche Frage.«
Die drei mechanischen Wesen beäugten sie neugierig.
»Wenn ihr nicht genau wisst, wie Oros zu besiegen ist, warum seid ihr dann zurückgekommen?«, fragte Arki.
»Ich meinte einen dauerhaften Sieg«, stellte Theo klar. »Zunächst haben wir ihn aus der Menschenwelt herausgelockt und ich kann euch in meine Welt mitnehmen.«
»Ich dachte, das hätten wir bereits geklärt«, brummte Lykos.
»Du meinst, in der Asservatenkammer? Das kann man ja wohl kaum ein klärendes Gespräch nennen. Wie kommt’s überhaupt, dass ihr hier so nahe beim Siebensphärenpalast herumschleicht?«
Thaurin steckte sein Schwert in die Scheide zurück. »Nachdem Mekanis aus der Starre erwacht war, mussten wir aus der Zeitwäscherei fliehen. Wir beschlossen, uns gegen Oros zu verbünden. Arki kannte den Weg zum Palast des Königs. Das Trichtertal, in das er sich duckt, liegt nur ein paar Meilen weiter südlich von der Zeitwäscherei.«
»Anscheinend haben wir alle ein gemeinsames Ziel: Oros zu entmachten«, sagte Lykos. Er liebte es, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
»Wie habt ihr den König denn hergelockt, Theo?«, erkundigte sich Arki.
Der Gefragte fasste kurz zusammen, wie es ihm nach dem letzten Wechsel in die Menschenwelt ergangen war und wie sie Oros überlistet hatten.
»Ihr habt ihm das Weltenei ausgeliefert?«, staunte der Goldbär. »Dann hängt ihr zwei ja selbst hier fest. Wie wollt ihr uns da in die Welt der Menschen bringen?«
Theo schmunzelte. Er nickte Sophia zu. »Zeig unseren Freunden, was wir mitgebracht haben.«
Auf diesen Augenblick hatte sie schon die ganze Zeit gewartet. Sie schwang ihren Rucksack über die Schulter und holte ein nachtblaues Fabergé-Ei heraus. Mit triumphierendem Lächeln öffnete sie es und entnahm ihm den
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