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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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deutete auf das Uhr-Ei. »Und was die Weltenmaschine betrifft – hast du einen besseren Vorschlag, als sie anzuhalten?«
    »Nein«, knirschte er. »Stehen bleiben würde sie ja ohnehin. Hast du deinen Plan auch zu Ende gedacht?«
    »Was meinst du?«
    »Wenn wir den kosmischen Mechanismus noch einmal in Gang setzen, dann werden wir wieder im Tunnel landen, bei Oros und seinen Schergen.«
    »Ist das sicher?«
    Er zuckte mit den Schultern. »Nein. Dieses Räderwerk steckt voller Überraschungen. Wenn der Stundenwächter es nicht kontrolliert, könnten wir auch irgendwo anders in die Menschenwelt zurückkehren. Bei meinem ersten Mal kam ich in Nürnberg heraus, obwohl ich von Griechenland aus nach Mekanis gelangte.«
    In Sophia keimte neue Hoffnung. Sie nahm Theo das Nürnberger Ei aus der Hand. »Dann sollten wir unser Glück nicht überstrapazieren und das Uhrwerk anhalten, bevor es abgelaufen ist.«
    »Warte!«, rief er. »Wenigstens haben wir das Überraschungsmoment auf unserer Seite, falls wir den Schergen des Stundenwächters vor die Füße purzeln. Vielleicht können wir uns den Weg freikämpfen. Nützlich wäre eine Waffe mit einer größeren Reichweite als mein Rückenhorndolch, die aber nicht gleich tötet. Halt mal.« Er gab Sophia das Uhr-Ei, warf sich den Rucksack über und hob den herrenlosen Unterarm der Gliederpuppe auf. Prüfend ließ er ihn ein paarmal durch die Luft rauschen. Mit der Greifhand am Ende bot das abgerissene Maschinenglied eine passable Streitkeule.
    Sophia beäugte unwirsch die Uhr. Plötzlich erschrak sie. »Mist! Ich hab das Glas über den Zeigern vergessen. Wie kommen wir jetzt an sie ran?«
    Er deutete mit dem Kopf auf die Uhr. »An der Fassung, die das Kristallglas hält, ist ein Scharnier. Meister Hans hat es angebracht, damit man die Zeiger verstellen kann.«
    Sie glaubte zu hören, wie ihr ein Stein vom Herzen fiel. Erleichtert klappte sie das Deckglas auf und griff nach Theos freier Hand. »Bist du bereit?«
    Er nickte.
    »Dann los!«
    Um alle drei Zeiger festzuhalten, musste Sophia den Daumen samt Ballen auf das Ziffernblatt legen. Stumm wartete sie, dass etwas geschah. Nichts war zu spüren. Vielleicht war die Idee mit den Zeigern doch nicht …
    Ehe sie den Gedanken vollenden konnte, begann ihr Körper, taub zu werden. So musste es sich anfühlen, wenn man bei lebendigem Leib versteinerte. Von plötzlicher Platzangst gepackt, wollte sie nach Luft schnappen. Es gelang ihr nicht. Sie war gelähmt. Vermochte keinen Finger zu rühren.
    Im nächsten Augenblick fiel die Starre von ihr ab. Der Himmel über ihr wurde blau und hell.
    »Wie ich das hasse! «, keuchte sie.
    Theo zuckte die Achseln. »Man gewöhnt sich dran. Oros und die ganze Menschenwelt stehen jetzt übrigens wieder still.«
    »Ich wünschte, wir könnten ihn schmoren lassen und nur alle anderen aufwecken.«
    »Leider ist das unmöglich. Wenigstens im Augenblick. Zuerst müssen wir den alten Zustand wiederherstellen …«
    »Im Klartext: Wir kehren in die Menschenwelt zurück und sind erneut Freiwild für Oros und Konsorten.«
    »Ja. Aber wir können den Spieß umdrehen.«
    »Ach! Und wie soll das gehen?«
    »Wir suchen uns einen genialen Uhrmacher, der das Ei repariert und einen neuen Schlüssel anfertigt. Dann locken wir Oros mit seinem eigenen Mechanismus nach Mekanis und verlassen es wieder ohne ihn, aber mit der Weltenuhr. Klingt doch wie die perfekte Falle, findest du nicht?«
    »Wenn’s nur so einfach wäre, wie es sich anhört!«
    »Ich schlage vor, du rüttelst das Küken im Ei jetzt wach.«
    Sophia nahm den Daumen vom Ziffernblatt und klappte das Uhrglas sowie den Deckel zu. Ihr war klar, dass nun alles von ihrem Fingerspitzengefühl abhing. Zaghaft bewegte sie die Hand vor und zurück.
    Theo schüttelte den Kopf. »Ich spüre nichts.«
    Sie drehte das Handgelenk rasch hin und her.
    Er runzelte die Stirn. »So wird das nie was, Sophia.«
    Seine neunmalklugen Kommentare gingen ihr auf die Nerven. Ärgerlich versuchte sie es mit einem ruckhaften Auf- und Abschwingen. Sie kam sich vor wie ein Barkeeper, der einen Cocktail mixte.
    »Du musst es nicht wie ein rohes Ei behandeln«, bemerkte Theo.
    Sie lachte gereizt auf, weil sie das Wortspiel, so es denn als solches gedacht war, reichlich unpassend fand. »Das weiß ich selbst, du Schlaumeier. Ich würde eher sagen, es ist ein über vierhundert Jahre altes faules Ei. Du kannst es mit deinen Pranken ja gerne selbst durchrütteln, aber beschwer dich nachher

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