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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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hatte. Mit Theo an der Hand, lief sie langsam hin und her, richtete ihre falsche Kerzenflamme mal nach oben, dann wieder nach unten. Dabei entdeckte sie neue Hinweise, die ihre Vermutung erhärteten: eine Bank, eine Bahnsteigkante, Gleise … Ihre Lichtwolke verharrte plötzlich über einigen Papierbogen, die am Boden lagen.
    »Was ist das?«, fragte Theo.
    Sie bückte sich und hob die Blätter auf. Sie waren in der Mitte gefaltet. Nach einem flüchtigen Blick auf den Inhalt antwortete sie: »Ein Computerausdruck. Da hat jemand im Web gesurft und von den Browserfenstern ein paar Hardcopys gezogen.«
    »Traust du dir zu, das, was du eben gesagt hast, einem Jungen aus dem 16. Jahrhundert zu erklären?«
    »Entschuldige. Ich bin so schusslig heute! Da hat sich jemand Notizen gemacht.«
    »Ah! Das habe ich verstanden.«
    Sie ließ ihr Kerzenlicht über einen der Ausdrucke gleiten. »Siehst du das Bild? Die gleichen Granitsäulen wie hier. Ich glaube, ich weiß, wo wir sind.«
    »Nämlich?«
    »In einem Geisterbahnhof.« Sie spürte, wie seine Hand zuckte, und fügte schnell hinzu: »Das ist keine Verladestelle für Untote. Laut der Beschreibung hier sind wir immer noch in Berlin. Der U-Bahnhof Oranienplatz, steht da, wurde vor dem Ersten Weltkrieg gebaut, aber nie in Betrieb genommen. Die nächste heute noch benutzte Station ist der Moritzplatz. Warte mal.« Sie zog aus der Außentasche des Rucksacks einen Stadtplan mit dem Nahverkehrsnetz der Berliner Verkehrsgesellschaft hervor und suchte den Namen des Bahnhofs. »Ich hab’s!« Sie stach mit dem Zeigefinger in den Plan. »Wir sind hier, in Kreuzberg, ganz in der Nähe von meiner Herberge. Und da« – sie verschob den Finger ein Stück – »ist der Alexanderplatz, wo Oros sich gerade die Haare rauft, weil wir ihm schon wieder entwischt sind.«
    »Wie weit ist es von uns zu ihm?«
    Sie warf einen Blick in den Stadtplan und schätzte anhand des Maßstabs die Entfernung. »Luftlinie vielleicht gut zwei Kilometer – das sind ungefähr zweitausend Schritte. Wollte er uns durch das Tunnelnetz aufspüren, wäre es vermutlich erheblich weiter. Ich glaube, wir können uns eine Verschnaufpause gönnen.«
    »Ich weiß nicht, Sophia. Oros kann uns überall aufstöbern.«
    »Du meinst, mithilfe von Apparaten?«
    »Manchmal auch durch Spione.«
    »Siehst du, und von beidem dürftest du hier überhaupt nichts finden. In der Stadt oben wimmelt es nur so von Kameras. Alles ist verdrahtet oder per Funk miteinander verbunden. Könnte er sich da irgendwie einklinken, um uns aufzuspüren?«
    Theo sah sie nur verständnislos an.
    Sie stöhnte. »Ich glaube, ich muss dir demnächst einen Crashkurs in moderner Technologie verpassen.«
    Er breitete die Arme aus. »Leider habe ich nicht die geringste Ahnung, wovon du sprichst.«
    »Momentan genügt es zu wissen, dass wir hier mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit fernab von allen Maschinen oder Menschen sind, die für Oros spionieren. Das wird sich ändern, sobald wir ans Tageslicht zurückkommen. Bevor wir also wieder im Revier des Stundenwächters herumpirschen, musst du mir unbedingt erzählen, wie deine Geschichte weitergeht. Bis jetzt ist mir noch nichts aufgefallen, das mich auch nur ahnen lässt, wie wir ihn uns vom Hals schaffen können.«
    Theo verzog den Mund. »Wäre es so leicht, hätte ich schon längst dafür gesorgt. Wenn ich schon mein Leben vor dir ausbreite, dann sollten wir es uns wenigstens bequem machen. Ich glaube, ich habe da eben eine Bank gesehen.«
    Sophia leuchtete ihnen den Weg zurück zu der Sitzgelegenheit. Es war ein in seiner Schlichtheit kompromissloses Modell: keine Rückenlehne, schwarzes Vierkantrohr, Latten aus Holzimitat. Vermutlich hatte man es hier für die Besucher aufgestellt, die das Wort Stadtbesichtigung einmal anders buchstabieren und bei U wie Unterwelten beginnen wollten.
    Die zwei setzten sich nebeneinander auf die Bank. Zwischen ihnen war gerade genug Platz für ihre ineinander verschlungenen Hände. Sophia schaltete die Kerze aus.
    »Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Theos Stimme aus der pechschwarzen Finsternis.
    »Bei Poseidonios und dir. Ihr wolltet so schnell wie möglich nach Rom.«

13
    A gamemnon war ganz grün im Gesicht. Zähneknirschend blickte er zum Ionischen Meer zurück. Gerade hatte sich bei ihm das Innere nach außen gestülpt, wobei sein Frühstück bei den Fischen gelandet war. Nicht zum ersten Mal. Ein Wunder, dass er trotz der andauernden Seekrankheit

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