Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
Vom Netzwerk:
binden, und sei es nur an eine goldene Scheibe. Wäre es da so abwegig, auch zwischen bestimmten irdischen Orten und seinem Reich eine Abhängigkeit zu vermuten?«
    »Wo bitte ist die Parallele zwischen einem toten U-Bahn-Tunnel und einem Maschinenfriedhof?«
    »Du hast es gerade gesagt: in der toten Technik.«
    Sophia schwirrte der Kopf. »Na schön, du bist der Mekanis-Experte. Wie geht’s jetzt weiter? Die Uhr wird über kurz oder lang stehen bleiben und dann stülpen sich wieder die Welten um. Wenn sie nicht wenigstens noch einmal anläuft, kommen wir hier nicht mehr weg, und die Menschenwelt liegt auf ewig im Dornröschenschlaf.«
    »Vielleicht kann ich sie reparieren. Halt dich mal an meinem Gürtel fest, nur für den Fall, dass sie zu stottern beginnt und wir zwischen den Welten hin- und hergeschleudert werden.«
    Sophia fand diesen Gedanken schrecklich genug, um seinen Gürtelstrick sofort mit beiden Händen zu packen.
    Theo nahm den Rucksack ab, holte das Nürnberger Ei aus der Lapislazulihülle von Fabergé und klappte den Deckel auf. Ohne den Blick zu heben, deutete er nach oben. »Ist dir schon der Himmel aufgefallen?«
    »Ja. Ich hatte das Gefühl, die Decke des U-Bahn-Schachtes zu sehen. Irre, was?«
    »Es ist die Tunneldecke, Sophia. Der gelbliche Schimmer kommt von der Beleuchtung des eisernen Wurmes. Solange die Uhr läuft, fängt sie das Licht der Umgebung auf und lässt es über uns erstrahlen.«
    Sie lächelte gequält. »Ich muss mich erst an die Vorstellung gewöhnen, jetzt in dem Ei zu stecken.«
    »Ich habe auch ein paar Hundert Jahre gebraucht, um mich mit dem Gedanken abzufinden – verstehen kann ich es bis heute nicht.«
    Sie nickte. Als Kind des 21. Jahrhunderts fand sie die Idee gar nicht so abwegig. Sie hatte von Fraktalen gehört, die sich vom Großen bis ins unendlich Kleine wiederholten. Und von der holografischen Informationsspeicherung, welche, ähnlich den vernetzten Strukturen im menschlichen Gehirn, die Informationen nicht mehr an einem bestimmten Ort ablegte, sondern sie über das ganze Medium verteilte. Möglicherweise war Mekanis ja ein holografischer Kosmos und die Uhr nur eine Art Resonanzkörper, der unendliche Weiten erzeugte, wie eine kleine Geige gigantische Klangwelten erschaffen konnte.
    Theo hatte das Nürnberger Ei inzwischen einer kritischen Musterung unterzogen. Äußerlich waren keine Schäden zu erkennen. Er hielt es sich ans Ohr, lauschte kurz und sagte: »Sie tickt, als würde ihr nichts fehlen.«
    Fehlen? Das Wort löste in Sophias Geist eine Kettenreaktion aus. Am Ende stand eine schreckliche Entdeckung. »Wo ist der Schlüssel, Theo?«
    Er nahm die Uhr vom Ohr, drehte und wendete sie, suchte danach das Innere des Fabergé-Eies ab, und schüttelte schließlich den Kopf. »Nichts.«
    Sophia wurde heiß und kalt. Hektisch durchkramte sie den Rucksack, öffnete sämtliche Reißverschlüsse, wühlte in den diversen Taschen herum, einmal, zweimal … Fassungslos sah sie davon auf. »Er ist weg, vermutlich aus dem Schlüsselloch gerutscht, als die Uhr den Abgang gemacht hat.«
    Theo war blass geworden. Er schüttelte verzweifelt den Kopf. »Ich war dabei, als Meister Hans und seine Zunftgenossen die Weltenmaschine gebaut haben. Der Schlüssel ist einzigartig, etwas ganz Besonderes.« Er machte eine raumgreifende Geste. »Du wirst in diesem Tal nichts finden, das sie wieder zum Laufen bringt.«
    Entsetzt starrte Sophia das Nürnberger Ei an. »Und wenn … du einfach die Zeiger festhältst, bevor die Uhr von allein stehen bleibt? Vielleicht kannst du sie dann durch Schütteln wieder in Gang setzen.«
    Er blickte auf den so harmlos wirkenden Gegenstand herab und murmelte: »Sie anhalten? So als würde man ein Herz stillstehen lassen, um es nachher neu zum Schlagen zu bringen? Klingt für mich irgendwie …« Er schüttelte den Kopf, weil ihm wohl kein passendes Wort einfiel, um seinen offenkundigen Widerwillen auszudrücken.
    »Bei Menschen wird das heute tagtäglich gemacht.«
    »Wie das?«, staunte Theo. »Etwa mit Zaubersprüchen?«
    »Nein. Mit Apparaten.«
    Er schnaubte verächtlich. »Womit sonst! Hätte ich mir denken können. Irgendwann verwandelt ihr euch noch selbst in Maschinen.«
    Sie räusperte sich. »Herzschrittmacher, künstliche Gelenke und andere Ersatzteile sind inzwischen gang und gäbe. Du verteufelst mir die Technik etwas zu schnell, Theo. Viele Menschen können durch Prothesen und Apparate erst wieder ein normales Leben führen.« Sie

Weitere Kostenlose Bücher