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Der verbotene Schlüssel

Titel: Der verbotene Schlüssel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Isau
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Sie konsultierte einmal mehr den Stadtplan und nickte. »Die Linie U8. Von der Weinmeisterstraße sind es drei Zwischenstopps bis zum Moritzplatz. Du meinst, er hat einen neuen Zug gekapert, um die Strecke nach uns abzusuchen?«
    »Vermutlich. Glücklicherweise führt sie nicht geradewegs in den Geisterbahnhof. So war er gezwungen, auszusteigen und sich mit seinen Schergen einen anderen Weg zu suchen. Verstehst du jetzt, warum ich so viel wie möglich von deiner Welt wissen will?«
    Sie nickte bedrückt. »Hätte ich besser die Karten gelesen und nicht darauf bestanden, deine Geschichte zu hören, müssten wir jetzt nicht schon wieder davonlaufen.«
    Sein Daumen streichelte über ihren Handrücken. »Schwamm drüber. Ich bin von Oros schon so oft ausgetrickst worden! Er ist ein mächtiger Gegner. Deshalb müssen wir unbedingt zusammenhalten. Gemeinsam können wir ihn besiegen. Hast du in meinem Bericht diesbezüglich irgendetwas Hilfreiches entdeckt?«
    »Du meinst, einen Hinweis auf seine Schwachstelle? Leider nicht. Aber Papa sagte immer: ›Du siehst die Krümel erst, wenn du das ganze Brot gegessen hast.‹«
    »Ein weiser Mann, dein Vater. Manche wichtige Kleinigkeiten werden erst im Zusammenspiel mit dem Großen und Ganzen erkennbar. Sobald wir in Sicherheit sind, muss ich dir unbedingt erzählen, wie es zum Bau der Weltenmaschine kam und wie ich …«
    »O nein!«, stöhnte Sophia. Diesmal hörte auch sie, was Theo plötzlich aufhorchen ließ.
    »Stehen bleiben! Sofort stehen bleiben!«, hallte es aus der Ferne.
    »Komm!«, stieß Theo hervor. »Die Verschnaufpause ist vorbei.«
    Als sie zwischen den Schienen in die U-Bahn-Station Moritzplatz hetzten, sorgte dies für helle Aufregung unter den dicht gedrängt wartenden Fahrgästen. Auf den Gleisen stand ein Zug. Vermutlich waren Oros und seine Schergen damit hier eingefahren und hatten ihn einfach stehen lassen.
    »Hat’s ’n Unjlück jejeben?«, rief ein schmerbäuchiger Berliner erwartungsvoll von der Bahnsteigkante nach unten.
    »Ja«, antwortete Sophia kurz.
    »Viele Tote?«
    »Einige sind um den Verstand gekommen. Mehr weiß ich nicht.« Sie ärgerte sich über die Schaulustigen, die gar nicht daran dachten, ihnen von den Gleisen zu helfen, sondern lieber in den Tunnel glotzten. Wahrscheinlich hofften sie, einen Blick auf ein paar Schwerverletzte zu ergattern.
    Ein Punker mit einer Menge Metall im Gesicht erbarmte sich endlich ihrer und beugte sich mit ausgestrecktem Arm nach unten. »Komm, Kleene, ick helf da hoch.«
    Sie reichte ihm die Hand und er zog sie auf den Bahnsteig. Theo schwang sich selbst hinauf. Der Punker musterte ihn von den Füßen bis zum Scheitel und nickte anerkennend. »Schrillet Outfit. Wo kriegt man det?«
    Theo konnte mit dem Berliner Dialekt offenkundig nicht viel anfangen und drückte seinem Gegenüber den Gliederpuppenarm in die Hand.
    »Ein Gastgeschenk. Er kommt aus Griechenland«, sagte Sophia, ehe ihr Freund weitere Aufmerksamkeit auf sich lenken konnte. Weil immer mehr Sensationshungrige herbeiströmten, zog sie ihn in Richtung Ausgang.
    Der Punker winkte ihnen zum Abschied. » Kali’nixta, Kumpel.«
    »Was hat er gesagt?« Sophia sprach fließend Englisch, Französisch und Finnisch. Sogar in Latein hätte sie sich leidlich verständigen können, aber bei Griechisch musste sie passen.
    »Gute Nacht«, übersetzte Theo und zuckte mit den Schultern. »Wahrscheinlich konnte er nichts anderes. Warum hatte er überall im Gesicht Ringe und Spangen? Ist es möglich, dass er sich in eine Maschine verwandelt?«
    »Ich denke nicht. Mir kam’s eher so vor, als hätte er als Einziger noch das Herz am rechten Fleck. Von den Gaffern hat sich ja keiner um uns geschert.«
    »Im Moment kann uns das nur lieb sein, denn die Jagd hat gerade erst begonnen.« Theo deutete über die Schulter zum Rucksack. »Die Weltenuhr in deinem Tornister wurde all die Jahre nur deshalb nicht von Oros gefunden, weil niemand sie aufgezogen oder auch nur richtig über sie nachgedacht hat. Beides wäre ihm nämlich nicht entgangen, wie du heute selbst feststellen konntest.«
    Sophia fröstelte. »Du meinst, er spürt es, wenn wir nur an die Uhr denken? «
    Er wiegte den Kopf hin und her. »Die Gefahr dürfte eher von ihrem Wesen als vom Namen oder ihrer äußeren Gestalt ausgehen. Als Meister Poseidonios die Unwetter auslöste, hat er jedes Mal über die Weltenformel nachgegrübelt. Er hat sich wohl auch ausgemalt, was er damit anfangen könnte. Ich bin

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