Der verbotene Schlüssel
zu inszenieren.
Der Chef grinste. »Alt jenuch, um Dummheiten anzustellen.« Er reichte die Schlüsselkarte über den Tresen. »Also, juten Aufenthalt. Zum Zimmer jets da die Treppe hoch. Frühstück jibs von sieben bis zwei.«
Sie nickte und nahm die Codekarte entgegen. In Gedanken war sie längst wieder bei Theo. Er musste so schnell wie möglich von der Straße runter, bevor Oros oder seine Spione aufkreuzten. Wie konnte sie ihn unbemerkt in das Gebäude schleusen, vorbei an dem gestrengen Herbergsvater und seiner vierbeinigen Kampfmaschine? Sie deutete durch den Rezeptionsbereich. »Ihre Internetterminals stehen irgendwo dahinten?«
»Die Counter sind in der Bar. Wir haben aber och WiFi im janzen Haus. Da kannste dich mit deinem Laptop von überall ins Netz funken.«
Sie nickte. »Ich sehe mich trotzdem mal um.«
Nachdem sie unter Bommels wachsamen Augen einige Schritte in Richtung Bar gelaufen war, zog sich der Herbergsvater in sein Büro zurück. Sophia holte schnell den von ihrem Reiseproviant übrig gebliebenen Müsliriegel aus dem Rucksack, riss die Verpackung auf, brach eine kleine Ecke ab, streckte sie dem Hund entgegen, ging in die Hocke und piepste: »Schau mal, was für ein schönes Leckerli wir für dich haben.«
Bommel stand auf, trippelte schwanzwedelnd auf seinen kurzen Beinen zu ihr hin und verschlang gierig den honiggetränkten Happen.
Sie brach ein paar weitere Stückchen von dem Barren ab und warf sie in verschiedene Ecken des Empfangsbereichs. Während der Hund den süßen Bissen nachjagte, huschte Sophia zur Haustür zurück. Theo blickte schon ungeduldig durch die darin eingelassene Glasscheibe. Sie legte sich den Zeigefinger an die Lippen und winkte ihn herein.
»Da kommt gleich so ein kleiner Kläffer«, flüsterte sie, und drückte ihm den Rest des Müsliriegels in die Hand. »Gib ihm das, damit er nicht bellt. Er heißt Bommel.«
Kaum hatte sie das gesagt, schlitterte die Security des Grand Hostel auch schon ins Blickfeld. Wahrscheinlich hatte das Geräusch der Tür Bommels Wachhundinstinkte geweckt und ihn über das Parkett herbeiflitzen lassen, um nötigenfalls ein paar Kriminelle zu zerfetzen. Theo beugte sich herab und streckte dem Krummbeiner den Leckerbissen entgegen.
Sophia hielt den Atem an. Würde der Kläffer Alarm schlagen?
Zu ihrer großen Beruhigung nahm Bommel seine Pflichten nicht allzu ernst. Von dem verlockenden Geraschel des Riegels angezogen, trippelte er zu dem Jungen. Theo schien sich mit Hunden auszukennen. Der Einbrecherschreck fraß ihm aus der Hand und nach ein paar Streicheleinheiten und liebevoll gemurmelten Worten waren die zwei ein Herz und eine Seele.
Schwanzwedelnd blickte Bommel seinem neuen Freund hinterher, während der mit dem Mädchen auf der Treppe nach oben entschwand.
Am späten Nachmittag kehrte Sophia, vollbepackt mit Einkaufstüten, auf ihr Zimmer zurück. Die Juniorsuite des Grand Hostel war ein großzügiger, in warmen Farben gehaltener Raum mit Blick auf den Kanal. Das Eichenparkett auf dem Boden bildete ein dezentes Rautenmuster und die Vorhänge in Ocker schienen die Temperatur des von den drei hohen Fenstern einfallenden Lichts um mehrere Grad anzuheben. Die rechte Hälfte des Zimmers war einem Esstisch mit hellen, stoffbespannten Stühlen vorbehalten. Links stand das beeindruckende Doppelbett, ein enormes Schlafmöbel aus braunem Holz mit gedrechselten Eckpfeilern, die sich weit genug in die Höhe schraubten, um einen Baldachin zu tragen, den es aber nicht gab. Dahinter lag ein langfloriger Teppich in sattem Lila, der den Raum zwischen einem dazu passenden Zweiersofa links und einem gelblich weißen Sessel rechts ausfüllte. Hier, direkt neben dem mittleren Fenster, hatte sich Theo niedergelassen. Auf einem viereckigen Tischchen vor ihm lag das aufgeklappte Nürnberger Ei und er brummte wie ein gereizter Bär.
»Und?«, fragte sie. »Schon was gefunden?«
Er hatte, während sie einkaufen war, das Uhr-Ei noch einmal gründlich untersucht. Sein Kopfschütteln verriet nichts Gutes. »Kein Wunder, dass Mekanis nicht richtig in Gang kommt. Es sieht so aus, als würde ein Teil fehlen. Außerdem scheint sich eine der sieben Sphären verkantet zu haben.«
Sie stellte die Tüten neben den Sessel. »Sieben was? «
»Das zentrale und wichtigste Organ der Uhr.«
Als Tochter von Rasmus Kollin wusste Sophia, dass es nicht ungewöhnlich war, die Teile eines Uhrwerks so zu bezeichnen. »Du meinst, die Uhr leidet an
Weitere Kostenlose Bücher