Der verbotene Turm - 11
wie du zur Vergeltung meins zerst ö rst?
Damon senkte den Kopf. Seine langj ä hrige Liebe, von der er geglaubt hatte, sie sei l ä ngst ausgebrannt, und die Leiden, mit denen er fertig geworden war, verliehen ihm Mitleid mit ihr. Hier in der ü berwelt, wo weder eine Geste noch ein Gedanke die Gefahr k ö rperlicher Leidenschaft heraufbeschwor, streckte er die Arme nach Leonie aus. Wie er es sich in vielen hoffnungslosen Jahren gew ü nscht hatte, zog er sie an sich und k ü sste sie. Es kam nicht darauf an, dass nur Abbilder sich begegneten, dass sie in der wirklichen Welt durch einen Zehntagesritt getrennt voneinander waren, dass Leonie ebenso wenig wie Callista jemals auf sexuelles Begehren reagieren konnte. All das war unwichtig. Es war ein Kuss so verzweifelter Liebe, wie er ihn keiner lebenden Frau je gegeben hatte oder geben w ü rde. Leonies Bild zerfloss, und sie war wieder die j ü ngere Leonie, strahlend, keusch, unber ü hrbar, die Leonie, nach deren Anblick er in vielen einsamen Jahren gehungert hatte, w ä hrend er sich mit Schuldgef ü hlen ü ber seine Sehnsucht qu ä lte.
Dann wurde sie von neuem zu der Leonie von heute, ausgelaugt, ersch ö pft, von der Zeit verw ü stet, und sie weinte mit einer Hoffnungslosigkeit, dass er meinte, ihm m ü sse das Herz brechen. Geh jetzt, Damon , fl ü sterte sie. Komm nach Mittwinter zur ü ck, und ich werde dich dahin f ü hren, wo du in der Zeit nach Callistas Geschick und deinem eigenen suchen kannst. Aber wenn in dir noch eine Spur von Mitleid ist, dann geh jetzt!
Die ü berwelt erzitterte wie in einem Sturm, verschwand in der Graue, und Damon fand sich in dem Zimmer zu Armida wieder. Callista betrachtete ihn besorgt. Ellemir fragte: Damon, Liebster, warum weinst du? Aber Damon wusste, er w ü rde diese Frage nie beantworten.
Cassilda und alle G ö tter! Es war unn ö tig gewesen, all das Leiden, seins, Callistas, das der armen kleinen Hilary, Leonies. Und die mitleidvolle Avarra allein wusste, wie viele Leben, wie viele Telepathen in den T ü rmen der Dom ä nen zum Leiden verurteilt waren .
Es w ä re f ü r die Comyn, f ü r sie alle, besser gewesen, dachte Damon verzweifelt, wenn sich alle S ö hne von Hastur und Cassilda im Zeitalter des Chaos mitsamt ihren Sternensteinen in die Luft gejagt h ä tten! Aber es musste ein Ende gemacht werden, all diesem Leiden musste ein Ende gemacht werden!
Er klammerte sich an Ellemir, und dann streckte er ü ber sie hinweg Andrew und Callista die H ä nde entgegen. Es war nicht genug. Nichts w ü rde je genug sein, um so viel Elend aus seinem Bewusstsein zu vertreiben. Aber solange sie alle dicht bei ihm waren, konnte er damit leben. F ü r den Augenblick. Vielleicht.
14
Dom Esteban hatte sie gebeten, die Psi-Arbeit zu verschieben, bis Mittwinter vorbei und die Reparatur der Sturmsch ä den erledigt waren. Damon war froh ü ber die Ruhepause, wenn ihn auch andererseits das Verlangen, es so schnell wie m ö glich hinter sich zu bringen, krank machte. Eine Menge hing vom Wetter ab. Wenn es wieder einen Sturm gab, w ü rde das Mittwinterfest nur mit den Hausbewohnern gefeiert werden, aber war das Wetter gut, kamen alle Leute innerhalb eines Tagesritts Entfernung zu Gast, und viele w ü rden ü ber Nacht bleiben. Am Vorabend des Festes verk ü ndete das Abendrot einen sch ö nen Tag, und Damon sah, dass Dom Esteban bei der Aussicht darauf sichtlich aufbl ü hte. Damon sch ä mte sich seines eigenen Mangels an Begeisterung. In den Kilghardbergen bedeutete eine Unterbrechung der winterlichen Isolation viel, und besonders f ü r einen alten Mann, der verkr ü ppelt und an seinen Rollstuhl gefesselt war. Beim Fr ü hst ü ck plauderte Ellemir vergn ü gt ü ber die Pl ä ne f ü r das Fest und ging auf Dom Estebans Feiertagsstimmung ein.
Die K ü chenm ä dchen sollen Festkuchen backen, und einer der M ä nner muss ins S ü dtal hinunterreiten und den alten Yashri und seine S ö hne f ü r die Tanzmusik holen. Und wenn viele Leute ü ber Nacht bleiben, m ü ssen alle G ä stezimmer ge ö ffnet und gel ü ftet werden. Und ich f ü rchte, in der Kapelle ist es f ü rchterlich staubig und schmutzig. Ich bin nicht wieder dort unten gewesen, seit ich . – Sie verstummte und blickte zur Seite, und Callista fiel schnell ein:
Ich werde mich um die Kapelle k ü mmern, Elli. Werden wir ein Feuer anz ü nden? Sie blickte zu ihrem Vater hin, und Dom Esteban meinte: Ich halte ein Sonnwendfeuer in der heutigen Zeit f ü r t ö richt.
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