Der verbotene Turm - 11
ße vom Altar abzur ä umen. In einer Wandnische stand die sehr alte Statue einer verschleierten Frau, umgeben von grob aus blauem Stein gemeißelten Kinderk ö pfen. Mit leiser Stimme sagte Callista: Vielleicht bin ich letzten Endes doch abergl ä ubisch. Dies ist Cassilda, genannt die Gesegnete, die dem Lord Hastur, dem Sohn des Lichts, einen Sohn gebar. Es heißt, dass von dessen sieben S ö hnen die sieben Dom ä nen abstammen. Ich habe keine Ahnung, ob es eine wahre Geschichte oder nur eine Legende oder ein M ä rchen ist, vielleicht auch die verwischte Erinnerung an ein wirkliches Geschehen. Aber die Frauen unserer Familie bringen Opfergaben . Sie verstummte. Im Staub des vernachl ä ssigten Altars sah Andrew einen Blumenstrauß, der zum Verwelken liegen gelassen war.
Ellemirs Opfergabe, als sie dachte, sie werde Damons Kind geb ä ren .
Schweigend legte er einen Arm um Callistas Taille. Er f ü hlte sich ihr n ä her als jemals seit jener katastrophalen Nacht. Eine Ehe wurde aus vielen seltsamen F ä den gewebt . Ihre Lippen bewegten sich. Ob sie betete? Dann hob sie den Kopf, seufzte, nahm den verwelkten Blumenstrauß und legte ihn behutsam auf den Kehrichthaufen. Komm, wir m ü ssen alle diese Gef ä ße s ä ubern und den Altar f ü r das neue Feuer, das angez ü ndet werden soll, reinigen. Wir m ü ssen die Kerzenhalter abkratzen. Warum haben sie letztes Jahr nur all die Wachsreste darangelassen? Die Fr ö hlichkeit war in ihre Stimme zur ü ckgekehrt. Geh hinaus zum Brunnen, Andrew, und hole frisches Wasser.
Mittags hing die große rote Scheibe der Sonne klar am wolkenlosen Himmel, und zwei oder drei der kr ä ftigsten Gardisten trugen Dom Esteban in den Hof. Damon stellte w ä hrenddessen den Spiegel, das Brennglas und das Kienholz auf, mit deren Hilfe das Feuer in dem altehrw ü rdigen Steingef ä ß entz ü ndet werden w ü rde. Man roch den Weihrauch, den Callista drinnen auf dem Altar entz ü ndet hatte. Damon betrachtete Callista und Ellemir und konnte sie beinahe als kleine M ä dchen in karierten Kleidern sehen, das Haar um die Wangen gelockt, feierlich und brav. Dorian hatte manchmal ihre Puppe zu der Zeremonie mitgebracht – er konnte sich nicht entsinnen, Callista oder Ellemir jemals mit einer Puppe gesehen zu haben. Er und Coryn hatten bei der Zeremonie neben Dom Esteban gestanden. Heute konnte der alte Mann nicht mehr vor dem Feuergef ä ß niederknien, und so war es Damon, der das Brennglas hielt und wartete, w ä hrend der helle Lichtfleck ü ber Kienholz und Tannennadeln kroch und einen d ü nnen Schweif duftenden Rauchs hinter sich herzog. Lange Zeit schmorte die Stelle nur, und der Rauch stieg auf. Dann antwortete ein roter Funke dem Gleißen der Sonne im Spiegel, und eine winzige Flamme erwachte im Mittelpunkt des Rauchs zum Leben. Damon b ü ckte sich ü ber das Feuergef ä ß, p ä ppelte das Fl ä mmchen hoch, futterte es vorsichtig mit Nadeln und Sp ä nen, bis es aufloderte, begleitet von den Beifallsrufen der Zuschauer. Er reichte das Feuergef ä ß an Ellemir weiter, die es nach drinnen zum Altar trug. Lachend und Gl ü ckw ü nsche austauschend begannen alle, den Hof zu verlassen. Einer nach dem anderen trat zu dem alten Mann an den Rollstuhl und empfing ein kleines Geschenk. Ellemir, die neben ihrem Vater stand, verteilte sie, Schmuckst ü cke aus Silber und manchmal aus Kupfer. In einigen F ä llen – bei besonders verdienten Angestellten – ü berreichte sie eine Urkunde, die ihnen Vieh oder anderes Eigentum ü bertrug. Callista und Ellemir beugten sich zu ihrem Vater hinab, k ü ssten ihn und w ü nschten ihm ein gutes neues Jahr. Seine Geschenke f ü r die T ö chter waren wertvolle Pelze, aus denen sie sich Reitm ä ntel f ü r das schlechteste Wetter machen lassen konnten.
Andrew erhielt von Dom Esteban Rasiermesser in einem Samtkasten. Die Messer waren aus einer leichten Metalllegierung gemacht. Andrew wusste, dass dies auf dem an Metallen armen Darkover ein ansehnliches Geschenk war. Verlegen umarmte er den alten Mann und sp ü rte die b ä rtigen Wangen mit einem merkw ü rdigen Gef ü hl der W ä rme und Zugeh ö rigkeit an den seinen.
Ein sch ö nes Fest w ü nsche ich dir, Sohn, und ein fr ö hliches neues Jahr.
Und ich dir, Vater. Andrew w ü nschte, er k ö nne sich beredter ausdr ü cken. Trotzdem, ihm war, als habe er wieder einen kleinen Schritt vorw ä rts getan. Callista hielt fest seine Hand, als sie ins Haus gingen, um die Vorbereitungen f ü r den
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