Der verbotene Turm - 11
Bett hoch und sah ihre Zwillingsschwester ü berrascht und schockiert an. Sie konnten sich nur undeutlich sehen. Eine kleine gr ü ne Mondsichel hing blass vor ihrem Fenster. Stockend fragte Ellemir: Beneiden . mich? Ich dachte . ich war ü berzeugt, eine Bewahrerin, die ihr Gel ü bde abgelegt hat, w ü rde mich verachten oder es als Schande ansehen, dass ich – dass eine Comynara auch nicht anders ist als eine Bauersfrau oder ein Tierweibchen in Hitze.
Dich verachten? Niemals! , versicherte Callista. Wenn wir Bewahrerinnen nicht viel dar ü ber sprechen, dann nur aus Furcht, wir k ö nnten nicht im Stande sein, unsere Andersartigkeit zu ertragen. Sogar die anderen Frauen in den T ü rmen, die unsere Isolation nicht teilen, betrachten uns als fremdartig, als beinahe nichtmenschlich . Absonderung, Stolz wird unsere einzige Verteidigung. Es ist, als wollten wir eine Wunde verbergen, unsere eigene . Unvollst ä ndigkeit verbergen.
Ihre Stimme bebte. Ellemir dachte, dass das Gesicht ihrer Schwester in dem tr ü ben Mondlicht tats ä chlich nichtmenschlich leidenschaftslos aussah, als sei es in Stein gehauen. Ihr war, als sei Callista herzzerreißend fern von ihr, als spr ä chen sie ü ber eine große, schmerzende Kluft hinweg.
Ihr ganzes Leben lang hatte Ellemir gelernt, von einer Bewahrerin als einer weit ü ber ihr stehenden Person zu denken, die verehrt, beinahe angebetet werden musste. Sogar ihre eigene Schwester, ihr Zwilling, war wie eine G ö ttin, weit außer Reichweite. Einen Augenblick lang hatte sie die schwindelnde Vorstellung, es sei umgekehrt, und das ersch ü tterte ihre ü berzeugungen. Jetzt war es Callista, die zu ihr aufblickte, sie beneidete, Callista, die auf gewisse Weise j ü nger war als sie und viel verwundbarer, nicht mehr in die ferne Majest ä t Arilinns gekleidet, sondern eine Frau wie sie, zerbrechlich, unsicher . Sie fl ü sterte: Ich w ü nschte, ich h ä tte das ü ber dich fr ü her gewusst, Callie.
Ich w ü nschte, ich h ä tte es ü ber mich selbst gewusst. Callista l ä chelte traurig. Wir werden nicht ermutigt, viel ü ber diese Dinge nachzudenken oder ü ber anderes außer unserer Arbeit. Ich fange erst an, mich als Frau zu entdecken, und ich . weiß nicht recht, wie ich damit anfangen soll. F ü r Ellemir klang das wie ein unglaublich trauriges Gest ä ndnis. Nach einer Pause sprach Callista leise in die Dunkelheit: Ellemir, ich habe dir von meinem Leben berichtet, was ich kann. Erz ä hle mir etwas von deinem. Ich will dich nicht dr ä ngen, aber du hast Liebhaber gehabt. Erz ä hle mir dar ü ber.
Ellemir z ö gerte, sp ü rte jedoch, dass hinter der Frage mehr stand als einfache sexuelle Neugier. Die war auch da, und in Anbetracht der Art, wie Callista gezwungen worden war, in der Zeit als Bewahrerin diese Seite ihres Wesens zu unterdr ü cken, war es ein gesundes Zeichen und eine gute Vorbedeutung f ü r ihre Ehe. Aber da war noch mehr, da war der Wunsch, an Ellemirs Leben in den Jahren ihrer Trennung teilzunehmen. Diesem Verlangen impulsiv entsprechend, sagte sie: Es war in dem Jahr, als Dorian heiratete. Hast du Mikhail uberhaupt kennen gelernt?
Ich habe ihn bei der Trauung gesehen. Ihre ä ltere Schwester Dorian hatte einen Nedestro-Cousin von Lord Ardais geheiratet. Er kam mir wie ein freundlicher, redegewandter junger Mann vor, aber ich habe nicht mehr als ein paar Dutzend Worte mit ihm gewechselt. Ich hatte Dorian seit unserer Kindheit so selten gesehen.
Es war in jenem Winter , fuhr Ellemir fort. Dorian bat mich, den Winter bei ihr zu verbringen. Sie war einsam und bereits schwanger und hatte unter den Bergfrauen wenige Freundinnen gefunden. Vater gab mir die Erlaubnis, sie zu besuchen. Und sp ä ter im Fr ü hling war Dorian so schwer geworden, dass es ihr kein Vergn ü gen mehr machte, Mikhails Bett zu teilen. Da waren er und ich aber schon so gute Freunde geworden, dass ich ihren Platz dort einnahm. Sie kicherte ein wenig in Gedanken daran.
Du warst nicht ä lter als f ü nfzehn! , rief Callista erschrocken. Ellemir antwortete lachend: Das ist alt genug zum Heiraten. Dorian war nicht ä lter gewesen. Ich w ä re auch verheiratet worden, wenn Vater nicht gew ü nscht h ä tte, dass ich zu Hause blieb und die Wirtschaft f ü hrte.
Wieder sp ü rte Callista den grausamen Neid, die verzweifelte Entfremdung. Wie einfach war es f ü r Ellemir gewesen, und wie richtig! Und wie anders f ü r sie! Hat es andere gegeben?
Ellemir l ä chelte in der Dunkelheit. Nicht viele.
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