Der verbotene Turm - 11
erweckend. Das war wirksamer als das Messer eines Chirurgen, dachte Andrew, aber welcher Preis wurde daf ü r bezahlt! Noch zweimal mussten sie in rohes, schwarzes, erfrorenes Fleisch eintauchen, bis Damon endlich die Verbindung l ö ste, sie voneinander trennte. Andrew empfand es so, als seien sie aus einer sch ü tzenden Ummauerung, aus einem eingefriedeten Ort nach draußen gerutscht. Vier M ä nner lagen schlafend da, Beine und F ü ße roh, wund und verletzt – aber heilend. Es bestand keine Gefahr der Blutvergiftung oder Infektion mehr. Es waren saubere Wunden, die sich so schnell wie m ö glich schließen w ü rden.
Sie baten Ferrika, in der N ä he der schlafenden M ä nner zu bleiben, und gingen in die untere Halle zur ü ck. Damon taumelte, und Andrew fasste und st ü tzte ihn mit seinen Armen. Jetzt wiederholte er in der k ö rperlichen Welt, was er w ä hrend des langen Rapports so oft in Gedanken getan hatte. Nicht zum ersten Mal hatte er das Gef ü hl, der so viel ä ltere Damon sei irgendwie j ü nger als er und m ü sse besch ü tzt werden.
Damon saß auf der Bank. Er lehnte sich gegen Andrew, ganz eingeh ü llt in die Ersch ö pfung, die die Matrix-Arbeit mit sich brachte. Auf dem Tisch lagen noch Brot und Obst vom Abendessen. Damon nahm davon und kaute mit Heißhunger. Sein ausgelaugter K ö rper verlangte gebieterisch nach neuer Energie. Auch Dezi hatte eifrig zu essen begonnen.
Damon sagte: Du solltest auch etwas zu dir nehmen, Andrew. Die Matrix-Arbeit verschlingt so viel Kraft. Du k ö nntest zusammenbrechen. Schon fast vergessen hatte er das Gef ü hl v ö lligen Entleertseins, als sei das Leben selbst aus ihm geflossen. In Arilinn hatte er technische Erkl ä rungen ü ber die Energiestr ö me im K ö rper gegeben, uber die Kan ä le, die sowohl physische als auch psychische Kraft weiterleiteten. Aber er war zu m ü de, um sich daran zu erinnern.
Andrew erkl ä rte: Ich habe keinen Hunger , und Damon erwiderte mit dem Schatten eines L ä chelns: Doch. Du weißt es nur noch nicht. Er streckte die Hand aus und hielt Dezi zur ü ck, der sich ein Glas Wein eingießen wollte. Nein, das ist gef ä hrlich. Trink Wasser oder hole dir Milch oder Suppe aus der K ü che, aber nimm nach einer Anstrengung wie dieser keinen Alkohol zu dir. Ein halbes Glas wird dich betrunken machen wie einen M ö nch beim Mittwinterfest!
Dezi zuckte die Schultern und verzog sich in die K ü che. Er kehrte mit einem Krug Milch zur ü ck, aus dem er allen eingoss. Damon sagte: Dezi, du bist in Arilinn gewesen und brauchst deshalb keine Erkl ä rungen. Aber Andrew will ich sagen, dass man etwa einen Tag lang doppelt so viel wie sonst essen muss, und wenn bei euch Schwindel, ü belkeit oder etwas dergleichen auftritt, kommt und sagt es mir. Dezi, ist Kirian im Haus?
Dezi antwortete: Ferrika stellt keinen her, und da Domenic und ich beide die Schwellenkrankheit hinter uns haben und Valdir in Nevarsin ist, glaube ich nicht, dass ihn irgendwer hier braucht.
Andrew fragte: Was ist Kirian?
Eine psychoaktive Droge, die in den T ü rmen und in TelepathenFamilien benutzt wird. Sie senkt den Widerstand gegen telepathischen Kontakt, aber sie hilft auch bei ü berarbeitung und telepathischer Anspannung. Und viele Jugendliche, bei denen die telepathische Begabung in der Pubert ä t auftritt, sind physisch und psychisch sehr krank, weil alle Ver ä nderungen sie gleichzeitig ü berfallen. Du bist schon zu alt f ü r die Schwellenkrankheit, nicht wahr, Dezi? Das m ö chte ich annehmen , antwortete der Junge von oben herab. Ich hatte sie ausgewachsen, bevor ich vierzehn wurde. Trotzdem – da du seit deinem Weggang von Arilinn keine Matrix-Arbeit mehr getan hast, k ö nntest du nach einem neuen Anfang eine leichte Form der Schwellenkrankheit bekommen , warnte Damon. Und wie Andrew reagieren wird, wissen wir ü berhaupt nicht. Er nahm sich vor, Callista zu bitten, dass sie Kirian herstelle. In jedem Telepathen-Haushalt sollte f ü r Notf ä lle ein Vorrat vorhanden sein.
Er schob seine halb geleerte Tasse Milch zur Seite. Er war todm ü de. Geh und ruh dich aus, Dezi, mein Junge . Du bist einer Ausbildung in Arilinn w ü rdig, glaub es mir. Er umarmte den Jungen kurz und sah ihm nach, als er davonging, um sein Zimmer neben dem von Dom Esteban aufzusuchen. Damon hoffte, der alte Mann werde die ganze Nacht durchschlafen, damit der Junge ungest ö rt ruhen konnte.
Was auch Dezis Fehler sein mochten, dachte Damon bei sich, zumindest pflegte er
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