Der verbotene Turm
ihr Leben durch diese folgenschwere Wahl zerstört wird, und ebenso wenig sollen sie darunter leiden müssen, daß sie die eine oder andere Pflicht gegenüber ihrer Domäne versäumen. Es gibt so viel für Telepathen zu tun, und niemand tut es! Nicht alle diese Arbeiten müssen hinter den Mauern eines Turms verrichtet werden, tatsächlich ist es bei einigen unmöglich. Nur weil so viele Leute glauben, die Turmarbeit sei der einzige Weg, Laran zu benutzen, werden diese Arbeiten nicht getan, und das Volk der Domänen hat darunter zu leiden. Damon hat eine Möglichkeit gefunden, wie jeder von Psi-Wissenschaften profitieren kann. Laran braucht keine Art von … von geheimnisvoller Zauberei zu sein, die im Verborgenen ausgeübt wird. Wenn ich, die ich eine Frau und ungebildet und die geringere von Zwillingen bin, lernen kann, Laran einzusetzen – und ich habe es ein wenig gelernt –, dann muß es viele, viele geben, denen es möglich ist. Und …«
Margwenn Elhalyn erhob sich an ihrem Platz. Sie war sehr blaß. »Müssen wir hier sitzen und uns diese … diese Blasphemie anhören? Müssen wir, die wir unser Leben den Türmen geweiht haben, unsere Wahl in den Schmutz gezogen hören von dieser … dieser unwissenden Frau, die zu Hause an ihrem Kamin sitzen und Babysachen nähen sollte, statt vor uns zu stehen und wie ein törichtes Kind von Dingen zu schwätzen, die sie nicht versteht?«
»Warte«, fiel Rohana Ardais ein, »warte, Margwenn. Auch ich wurde im Turm ausgebildet, und dann wurde mir die Entscheidung aufgezwungen, die Arbeit, die ich liebte, aufzugeben, damit ich heiraten und dem Clan meines Mannes Söhne schenken konnte. Es liegt einige Weisheit in dem, was Lady Ellemir sagt. Laß uns sie anhören, ohne sie zu unterbrechen.«
Rohana wurde durch allgemeines Gebrüll zum Schweigen gebracht. Lorill Hastur rief die Anwesenden zur Ordnung. Damon erinnerte sich mit sinkendem Mut, daß auch Lorill im Dalereuth-Turm ausgebildet und gezwungen worden war, sein Wissen zu verleugnen, als er das Amt des Ratsregenten erbte. »Ihr habt keine Stimme im Rat, Lady Ellemir. Ihr könnt mit den Frauen gehen, die wir bestimmt haben, für Euch zu sorgen, oder hier bleiben. Eine andere Wahl habt Ihr nicht.«
Ellemir klammerte sich an Damons Arm. »Ich bleibe bei meinem Mann.«
»Sir«, wandte Cassilda Hastur besorgt ein, »hat sie das Recht, sich selbst zu entscheiden, wenn diese Entscheidung das Kind, das sie trägt, gefährden kann? Sie hat schon einmal eine Fehlgeburt gehabt, und dies Kind ist Erbe von Alton. Ist die Sicherheit des Kindes nicht wichtiger als ihr vom Gefühl diktierter Wunsch, bei Damon zu bleiben?«
»Im Namen aller Götter, Cassilda!« protestierte Rohana. »Sie ist kein Kind mehr! Sie weiß, um was es hier geht! Meinst du, sie ist eine Milchkuh, der das Schicksal des Vaters ihres Kindes gleichgültig wird, sobald du sie von ihm weggeführt hast? Setz dich und laß sie in Ruhe!«
Gekränkt nahm die junge Lady Hastur wieder Platz.
»Damon Ridenow, entscheide dich. Willst du deine Matrix ohne Widerstand ausliefern, oder müssen wir sie dir nehmen?«
Damon blickte auf Ellemir, die seinen Arm hielt, auf Callista, die juwelenflammenden Widerstand verkörperte, auf Andrew, der einen Schritt hinter ihm stand. Zu ihnen, nicht zu Lorill, sagte er: »Darf ich für euch alle sprechen? Callista, ist es dein Wille, nach Arilinn und in Leonies Obhut zurückzukehren?«
Leonie betrachtete Callista mit hungriger Erwartung, und plötzlich verstand Damon.
Leonie hatte sich selbst nie erlaubt zu lieben. Aber ohne Gefahr, mit aller Heftigkeit ihrer ausgehungerten Gefühle konnte sie Callista lieben, die wie sie auf lebenslängliche Jungfräulichkeit eingeschworen war. Kein Wunder, daß sie Callista nicht gehen lassen wollte, daß sie es ihr unmöglich gemacht hatte, den Turm zu verlassen. Ihre Liebe für das Mädchen hatte nicht den leisesten Anhauch von Sexualität, aber trotzdem war es Liebe und ebenso wirklich wie seine eigene hoffnungslose Liebe zu Leonie.
Callista schwieg, und Damon fragte sich, welche Wahl sie treffen werde. Kam ihr Arilinn begehrenswerter, weniger beunruhigend, weniger schmerzlich vor als das, was sie ihr boten? Und dann erkannte er, daß Callistas Schweigen nur Mitleid war. Es widerstrebte ihr, Leonies Liebe und Schutz zurückzuweisen, die Frau zu verletzen, die das einsame Kind im Turm geliebt und beschützt hatte. Als sie sprach, standen Tränen in ihren Augen.
»Ich habe meinen Eid
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