Der verbrannte Garten - Ulysses Moore : Staffel 2 ; 5
jemandem Hallo sagen.
Er bezwang die Steigung, die hinter dem Ortsende begann, fuhr zum Leuchtturm und versorgte Leonards Pferd Ariadne. Leonards Boot war immer noch nicht in Kilmore Cove eingelaufen und die Abwesenheit des Leuchtturmwärters und seiner Frau machte sich mit jedem Tag stärker bemerkbar. Es schien beinahe so, als hätten sie sich absichtlich aus dieser Geschichte herausgehalten. Und auch so, als hätten sie Kilmore Cove für immer verlassen.
Wer weiÃ, was sie gesagt hätten, wenn sie erfahren hätten, dass Kalypsos Buchladen vollkommen zerstört worden war.
Rick legte der Stute die letzte Gabel voll Heu hin.
»Man kann nicht etwas aufbauen, ohne etwas anderes zu zerstören«, hätte sein Vater wohl gesagt, wäre er noch am Leben gewesen.
»WeiÃt du, was, Papa? Das stimmt überhaupt nicht«, sagte der rothaarige Junge laut, nachdem ihm dieser Satz seines Vaters eingefallen war.
Ein heftiger Wind blies vom Meer her. Kleine Wellen mit weiÃen Schaumkronen kräuselten die Wasseroberfläche und die Bäume auf den Hügeln ringsum bogen sich unter der Wucht der Böen.
Rick passierte es zum ersten Mal, dass er mit einem der Wahlsprüche seines Vaters nicht einverstanden war, und das war kein angenehmes Gefühl. Es fühlte sich an, als würde er die Geborgenheit verlieren, die er bisher gespürt hatte, wenn er etwas tat, von dem er glaubte, dass sein Vater es auch auf diese Weise gemacht hätte. Auf einmal war er auf sich selbst gestellt.
Er schüttelte den Kopf und stieg wieder aufs Rad.
Ich musste überhaupt nichts zerstören, um etwas mit Julia aufzubauen, sagte er sich, während er wieder in die Pedale trat.
Aber was genau hatte er eigentlich aufgebaut? Auf einmal schlug sein Herz schneller, aber das kam nicht vom Radfahren.
Oblivia Newtons Haus tauchte ganz plötzlich hinter einer Kurve auf und Rick musste bei seinem Anblick grinsen. Ja, dieses Haus sollte man tatsächlich zerstören, um ein neues zu bauen. Und möglichst ein schöneres.
Das Haus war ganz aus Beton und sah wie eine flache, umgestürzte Schüssel aus. Es thronte auf einer kleinen Anhöhe knapp über der KüstenstraÃe. Die violette Bougainvillea, die an der Fassade wuchs, verdeckte zum Glück einen groÃen Teil davon.
Bis zum gestrigen Abend hatte das Haus für lange Zeit leer gestanden. Nach dem Tod seiner Eigentümerin, der reichen Maklerin, war es zusammen mit einem groÃen Vermögen in den Besitz ihres Vaters Black Vulcano übergegangen. Der hatte sich jedoch immer strikt geweigert, das Haus zu betreten.
Verständlich, dachte Rick, während er sein Rad Richtung Gartentor lenkte. Sie standen sich ja nicht besonders nahe. Aber in ihr Haus zu gehen wäre gewesen, als hätte er sich mit ihrem Tod abgefunden.
Er klingelte und wartete, dass jemand aufmachte, aber nichts geschah.
Erst, als er laut gerufen hatte, ging die Haustür auf, und Anita Bloom kam ihm lächelnd entgegen.
»Ich habe die Klingel nicht gehört«, rief ihm das Mädchen zu.
Da fiel Rick wieder ein, dass die Stromversorgung nach der Flutkatastrophe immer noch unzuverlässig war.
Anita betätigte die Entriegelung von Hand und gemeinsam schoben sie das Gartentor auf.
»Gibt es Neuigkeiten?«, wollte das Mädchen wissen.
Rick schüttelte den Kopf.
Er legte das Fahrrad auf den Weg, nahm seine alte Kinderuhr vom Lenker und folgte Anita die Wendeltreppe hinauf, die in den ersten Stock führte.
Sie betraten einen groÃen, loftartigen Raum, der mit eigenartigen futuristischen Möbeln eingerichtet war. Zwei groÃe Panoramafenster gingen aufs Meer hinaus. Rick fand, dass es hier aussah wie im Inneren eines Kühlschranks.
»Wo ist dein Vater?«, fragte er, während er sich umsah.
»Er ist unten.«
»Habt ihr deine Mutter anrufen können?«
Anita nickte und lud Rick ein, auf einem lilafarbenen Sofa Platz zu nehmen.
»Ich kann nicht lange bleiben«, sagte er. »Tommi und ich wollen nach Venedig.«
Anita sah ihn fragend an.
»Nicht
dein
Venedig.«
»Ach so.«
»Wir brauchen Peters Hilfe.«
Anita schloss einen Moment lang die Augen. Nachdem sie ausgeschlafen und geduscht und inzwischen auch schon ein paar Mahlzeiten zu sich genommen hatte, war sie wieder munter und guter Dinge. Trotzdem hatte sie nicht die geringste Lust, sich auf ein weiteres Abenteuer mit den Türen zur
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