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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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verfrachten würde, achtete ich penibel darauf, daß das Haus stets blitzblank geputzt war, im Kühlschrank ausreichend gesunde Nahrungsmittel lagerten, Eva jeden Morgen pünktlich zur Schule ging und ihre Schularbeiten sorgsam erledigte.
    Natürlich begehrte sie gegen meine Reglementierungen auf, aber das Stichwort Heim genügte meist, sie wieder unterwürfig werden zu lassen. Nur einmal kam es zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen uns beiden, als ich sie zwang, ihre Schminke abzuwischen und Jeans anzuziehen anstelle des Minirocks, den sie trug.
    »Ich denke ja nicht daran!« schrie sie. »Du hast mir gar nichts zu befehlen! Es reicht, daß du mich von morgens bis abends mit allem anderen tyrannisierst, aber an meinem Aussehen wirst du nichts verändern!«
    »Schau nur mal in den Spiegel«, versetzte ich. »Du siehst aus wie ein Strichmädchen. Was glaubst du, auf welche Gedanken die alte Schrulle kommt, wenn du so vor ihr herumhüpfst! Die meint doch, du besserst auf unsittliche Art dein Taschengeld auf! Du bist schneller im Heim, als du bis drei zählen kannst, verlaß dich drauf!«
    »Sie ist überhaupt keine alte Schrulle! Und wahrscheinlich ist sie nicht halb so prüde wie du!«
    »Du kannst es ja darauf ankommen lassen!«
    »Das werde ich auch.«

    Sie starrte mich trotzig an, aber ihre Lippen zitterten ein wenig, ein Zeichen, daß sie sich nicht so sicher fühlte, wie sie sich gab. Ich packte sie an Arm und Schulter und stieß sie vor mir her ins Bad. Sie schrie und wehrte sich, aber sie hatte keine Chance. Ich riß ein Bündel Toilettenpapier von der Rolle und wischte ihr damit das bemalte Gesicht ab, wobei ich ihr natürlich weh tat – was ich genoß. Ihre Haut wurde brennend rot unter dieser groben Behandlung, und sie sah grotesk aus mit der nun quer über die Wangen verschmierten Farbe.
    »Zieh diesen verdammten Fetzen aus!« befahl ich und wies auf das schwarze Nichts von einem Rock, das sie trug.
    Ich glaube nicht, daß sie noch den Mut hatte, sich dieser Aufforderung zu widersetzen, aber sie kam ihr jedenfalls nicht schnell genug nach, und schon zerrte ich ihr das lächerliche Kleidungsstück einfach vom Leib. Kann sein, der Stoff zerriß sogar dabei. Darunter sah sie anrührend keusch aus in einem mädchenhaften, kleinen weißen Slip mit himmelblauen Streublumen darauf. Ihr T – Shirt war so kurz, daß es ihren Bauch freiließ.
    Ich starrte sie an, und sie senkte die Augen. So standen wir eine ganze Weile, bis ich das Schweigen brach und sie anfuhr: »Herrgott, jetzt zieh dir endlich etwas Anständiges an!«
    Sie rannte aus dem Bad und knallte ihre Zimmertür hinter sich zu, und ich hob den Rock auf, trug ihn hinaus und stopfte ihn zuunterst in die Mülltonne. Als die Sozialarbeiterin zwei Stunden später aufkreuzte, erschien Eva in Jeans und einem XXL – Sweatshirt darüber, ohne ein Gramm Farbe im Gesicht, die Haare zu einem Zopf geflochten. Die Schrulle war glücklich, weil alles so unheimlich solide wirkte.

    Aber hinter ihrem Rücken warf Eva mir ganz eigentümliche Blicke zu; Blicke, die weder gekränkt noch wütend schienen, sondern eine Art von Triumph ausdrückten, dessen Ursache ich mir nicht erklären konnte. Ich hatte sie gedemütigt, und nun verhielt sie sich, als habe sie irgendeinen Sieg über mich errungen oder sei sich einer Waffe bewußt geworden, die sie zu ihrer eigenen Überraschung plötzlich gegen mich in der Hand hielt. Die Blicke gingen mir jedenfalls durch und durch, und ich bin überzeugt, für alles, was später geschah, war dieses höhnische Blitzen in ihren Augen verantwortlich, mit dem sie mich heimlich bedachte, während die komplett von uns eingewickelte Sozialarbeiterin ungläubig die Ordnung in allen Schränken und die saubere, im Garten auf einer Leine trocknende Wäsche bestaunte. Eva hatte übrigens recht: Sie war nicht alt. Mitte Dreißig vielleicht. In meinen neunzehnjährigen Augen natürlich schon fast jenseits von Gut und Böse. Aber abgesehen von meinen gleichaltrigen und quietschblöden Klassenkameradinnen war sie die erste erwachsene Frau, bei der ich merkte, welche Wirkung ich auf Angehörige des weiblichen Geschlechts hatte. Eva gegenüber trat sie unheimlich cool und souverän auf, aber bei mir wurde sie nervös und hatte ein schrilles Kieksen in der Stimme. Wenn ich ihr direkt in die Augen sah, wurde sie rot. Ich hätte sie gern noch etwas länger gereizt und verunsichert, aber nach ein paar Wochen kam Vater aus der U-Haft zurück, und die

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