Der Verehrer
diesem Ohr, und so mußte sie ihre Erfahrungen am eigenen Leib machen – leidvoll und letzten Endes mit tragischem Ausgang.
Als Leona mir erzählte, Bernhard sei auf ihrem Anrufbeantworter gewesen, war mir sofort klar, woher der Wind wehte. Schon an jenem Abend in Evas Wohnung hatte ich gemerkt, daß er sie auf genau die gleiche Weise ansah, auf die er auch Eva anfangs ins Visier genommen hatte. Und dann weiß ich auch von einem späteren Treffen zwischen ihm und Leona. Glücklicher Zufall: Ich trieb mich vor dem Verlag herum, kurz nach unserer Trennung war das, und sie kam heraus, und anstatt zu ihrem Auto zu gehen, überquerte sie die Straße in Richtung U-Bahn. Also wollte sie nicht nach Hause, sondern vermutlich in die Stadt, wo es mit dem Auto immer Parkplatzprobleme gibt. Meine Chance; ich hastete hinterher, sprang einen Waggon hinter dem ihren in die Bahn und erwischte sogar den Moment, an dem sie an der Hauptwache ausstieg und in einem Menschenstrom auf der Rolltreppe nach oben schwamm. Ich schaffte es gerade noch, ebenfalls hinauszuspringen und mich an sie zu heften. Sie steuerte schnurstracks auf
das Mövenpick zu, verschwand darin für eine schier endlose Zeit, und als sie endlich wieder herauskam, hatte sie Fabiani im Schlepptau, und ich dachte: Sieh mal an! Der Kerl hat es wieder geschafft!
Er lächelte sie charmant an, aber ich, der ich ihn kenne, sah das triumphierende Grinsen eines Siegers hinter diesem Lächeln. Er war in dem Moment überzeugt, einen neuen Goldfisch an der Angel zu haben.
Und Leona … Sie war zumindest viel besserer Stimmung als zuvor. Sie wirkte nicht mehr so angespannt. Ihr Lachen war gelöst, und sie sah für ein paar Momente einmal nicht so aus, als wälze sie einen Haufen dicker Probleme hinter der Stirn. Das machte sie sehr attraktiv.
Ich sagte zu mir: Ruhig Blut, Robert! Sie hat nichts mit ihm. Garantiert nicht. In ihrer augenblicklichen Verfassung bindet sie sich an niemanden. Sie hat Angst und ist innerlich völlig ausgebrannt. Es wird dauern, ehe sie wieder eine Beziehung eingehen kann.
Das war nicht nur dahingesagt. Ich war überzeugt, die Lage richtig einzuschätzen. Aber ebenso sicher war ich auch, daß Fabiani entschlossen war, sie zu erobern, daß er auf die Zeit setzte und daß er nicht zweifelte, am Ende erfolgreich zu sein.
Ich schrieb Bernhard Fabianis Namen auf meine Liste. Ich übermalte die Buchstaben dreimal, bis sie mir fettgedruckt wie eine Provokation ins Auge sprangen. Ich unterstrich den Namen, und drückte dabei so fest mit dem Kugelschreiber auf, daß das Papier riß.
Ich wußte in dieser Sekunde, daß ich den Mann gefunden hatte, der mich zu Leona führen würde.
Und deshalb habe ich meinen Platz gegenüber Leonas Haus verlassen. Der Abschied fiel mir schwer. Ich hatte
mich an mein Gebüsch gewöhnt, an den Schuppen, an das schweigende Haus hinter mir, an die junge Frau, die jeden Morgen dort hineinging und dabei immer so ernst und freudlos aussah. Sie war eine gute Bekannte geworden. Wie schnell schlägt der Mensch Wurzeln?
Am schlimmsten war es, Leonas Haus, ihrem Garten Lebewohl zu sagen. Solange ich ihre Fenster sah, ihre Blumen entlang des Weges, ihre Garage, von der ich wußte, daß ihr Auto darin parkt – solange waren wir nicht wirklich getrennt. Ein unsichtbares Band verlief zwischen uns, über die Dinge, die zu ihrem Leben gehören und an denen ihr Herz hängt.
Nachts schlafe ich jetzt, zusammengerollt und stinkend wie ein Penner, auf der Bank eines Bus-Wartehäuschens, das sich wenige Meter entfernt von dem Haus befindet, in dem Bernhard Fabiani wohnt. Tagsüber drücke ich mich auf dem Friedhof gegenüber herum. Die sichere Abgeschlossenheit eines stillen Gartens habe ich nicht mehr. Ich muß sehr vorsichtig sein, ein paar Mal haben mich andere Friedhofsbesucher schon mißtrauisch angeschaut. Ich falte dann die Hände und starre andächtig auf ein Grab, in dem ein Kind ruht. 1970-1973 . Der Gedanke an die Überreste eines so kurzen Lebens, die unter der Marmorplatte ruhen, berührt mich nicht. Mein Herz ist kalt, mein Gemüt von nichts anderem durchdrungen als von völliger Entschlossenheit. Irgendwann wird er Leona aufsuchen. Er wird sich diese Chance nicht entgehen lassen. Sie ist allein. Sie hat Angst. Sie weiß nicht, wie es weitergehen soll. Kann sein, es wird nie wieder einen Moment geben in ihrem Leben, da sie seine starken Schultern so zu schätzen weiß.
Er verläßt sein Haus jeden Morgen. Aber nie mit Gepäck. Zu
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