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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Leona wird er wenigstens eine Reisetasche
mitnehmen, denn wo sie auch ist – er wird planen, mindestens eine Nacht dort zu verbringen. Solange er ohne Reisetasche oder Koffer herauskommt, fährt er in die Universität, nicht zu ihr .
    Aber wenn es soweit ist, werde ich dasein.
    6
    Es war wieder Sonntag. Der Tag, den Lydia die ganze Woche über bereits fürchtete. Das Alleinsein schmerzte immer, mittwochs und freitags ebenso wie dienstags und donnerstags. Im Grunde machte es keinen Unterschied für sie, wenn das Wochenende kam, und doch warf sich die besondere sonntägliche Stille stets mit einer Gewalt über sie, daß sie nach Luft schnappte. Am Sonntag brach alles auf: die Sehnsucht nach einem Partner, mit dem man über die vergangene Woche plaudern und für die kommende planen konnte. Der Gedanke an Kinder, die, Teenager bereits, übernächtigt von ihren samstäglichen Diskoausflügen zum Frühstück geschlurft kämen und die man in ihrem Liebeskummer trösten oder derer Schulnoten wegen man sich aufregen könnte. Gemeinsame Überlegungen, wie man den Tag zu verbringen gedachte. Wünsche der Familie, was es zum Mittagessen geben sollte. Wie gern hätte sie sich hingestellt und für eine hungrige Schar gekocht. Wie gern hätte sie für sie alle die Wäsche gewaschen, die Betten bezogen und über die Unordnung in ihren Zimmern gejammert.
    Sie fragte sich, ob andere Leute etwas zu verstehen vermochten von der Leere, die sie ausfüllte wie ein großer Klumpen Watte. Die Leere war von einer Stille, die in den Ohren dröhnte. Es erstaunte Lydia immer wieder, wie laut
die Stille sein konnte. Sie hatte sich vor ihr schon die Ohren mit beiden Fäusten zugehalten und war wimmernd über dem Küchentisch zusammengebrochen, panisch vor dem Abgrund, der sich vor ihr auftat, der schwarz war und kalt und der ihr Leben war.
    An diesem Maisonntag nun ging es ihr besser, was aber nicht mit dem sonnigen Sommerwetter draußen zusammenhing. Für gewöhnlich verstärkte der Sonnenschein ihre Depression sogar noch, denn er machte die Diskrepanz zwischen ihrem Schattendasein und der Lebendigkeit draußen noch deutlicher. Heute, an diesem Tag, wußte sie jedoch, daß zwar ein üblicher langer, einsamer Sonntag vor ihr lag, daß aber der nächste Sonntag besser sein würde.
    Es hatte sich Besuch angesagt!
    Lisa Heldauer war ihr von einem Kommissar aus Bayern angekündigt worden. Hülsch hieß er und hatte am vergangenen Freitag angerufen. Sie hatte sich sofort gedacht, daß es um Robert Jablonski ging. Seinetwegen hatte die Frankfurter Polizei schon zweimal bei ihr vorgesprochen, ohne daß sie irgendeinen sachdienlichen Hinweis hatte geben können, und sie hatte schreckliche Dinge über ihn in der Zeitung gelesen, die sie kaum glauben mochte.
    Als nun Hülsch sich als Polizist vorstellte, fragte sie sofort: »Gibt es etwas Neues wegen Robert Jablonski?«
    Etwas überrascht hatte Hülsch entgegnet: »Nein – eigentlich nicht. Aber mein Anruf hat mit ihm zu tun.«
    Dann hatte er erklärt, daß die Schwester eines Mordopfers von Jablonski den dringenden Wunsch geäußert habe, Kontakt aufzunehmen mit einem Menschen, der Jablonski gekannt habe und Auskunft über seine Person geben könne.
    »Der ermittelnde Kollege von der Kripo Frankfurt nannte mir Ihren Namen. Ich wollte Sie nun fragen, ob ich
Ihren Namen und Ihre Telefonnummer an Frau Heldauer weitergeben kann.« Er hatte sich unbehaglich angehört, so als empfinde er sich selbst als aufdringlich und als verstoße er mit diesem Anruf gegen seine Prinzipien.
    »Natürlich können Sie sich das in aller Ruhe überlegen … Es ist keineswegs üblich, daß ich solche Geschichten in die Wege leite«, hatte er hinzugefügt, »aber Lisa Heldauer ist sehr mitgenommen von den Geschehnissen, und da wollte ich nicht …«
    Er ließ offen, was er nicht gewollt hatte, und wartete auf eine Antwort.
    Lydia sagte so schnell zu, daß er sich ganz perplex verabschiedete.
    Am darauffolgenden Tag, am gestrigen Samstag, hatte dann Lisa Heldauer selbst angerufen. Eine junge, sehr hübsche Stimme. Sie hatte gefragt, ob sie Lydia am folgenden Wochenende besuchen dürfe.
    »Ich könnte Samstag mittag dasein. Ich würde in einem Hotel übernachten, wir könnten vielleicht noch Sonntag vormittag reden, und am Nachmittag würde ich zurückfahren nach München.«
    Ein Geschenk des Himmels!
    Samstag abend könnten wir ausgehen, dachte Lydia und merkte, daß ihre Wangen zu glühen begannen in der Vorfreude; wir könnten

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