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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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kommen, wenn Sie nicht mögen. Ich dachte nur, vielleicht finden Sie das eine oder andere Stück, das Sie gern behalten würden. Bücher vielleicht.«
    Sie hatte tausend andere Dinge im Kopf. Wie sollte sie sich jetzt auf die Hinterlassenschaft von Eva Fabiani konzentrieren?
    »Ich gehöre doch gar nicht dazu«, sagte sie schließlich. Ein erster, leiser Schmerz begann sich von ihrem Nacken in den Kopf hinaufzuschrauben. Noch eine Stunde, und er würde grausam hinter ihrer Stirn wüten.
    »Sie sind der letzte Mensch, mit dem meine Schwester gesprochen hat«, sagte Robert ernst, »der letzte Mensch, der sich um sie gekümmert hat, ehe sie das Bewußtsein verlor. Sie gehören durchaus dazu.«
    »Das ist nett von Ihnen, Robert, danke. Nur heute abend…«

    Im Unterschied zu Lydia hatte Robert feine Antennen. »Ist alles in Ordnung? Sie klingen etwas eigenartig.«
    » Ich … ich fürchte, ich bekomme eine Erkältung. Hören Sie, Robert, falls ich nicht krank werde, komme ich morgen nach der Arbeit vorbei.« Das ließ ihr jede Möglichkeit offen, nicht zu erscheinen. »So um sechs Uhr.«
    »Ich würde mich freuen«, sagte Robert. »Es kann allerdings sein, daß Evas Exmann morgen da ist. Er soll die Sachen abholen, die Eva von ihm bekommen hat. Mit denen möchte ich nämlich nichts zu tun haben.«
    Leona versicherte, daß Evas Exmann sie nicht störe, und beendete das Gespräch. Schneller als sonst begann der Schmerz im Kopf sie zu attackieren.
    Sie wandte sich zu Wolfgang um, der sich gerade ein Glas Whisky eingeschenkt hatte.
    Sie begann zu schreien.
    4
    Sie ging tatsächlich zu Evas Wohnung am nächsten Tag, aber nur, weil sie nicht nach Hause wollte. Sie hatte sich durch die Arbeitsstunden geschleppt mit der verbissenen Anstrengung eines verwundeten Tieres, das nicht zusammenbrechen will, weil es weiß, daß es dann nicht mehr aufstehen wird. Mittags in der Kantine hatte sie keinen Bissen heruntergebracht, und zwei Kolleginnen hatten sie gehänselt, weil sie annahmen, sie mache schon wieder eine Diät.
    Was soll nur werden? dachte sie ratlos, als sie sich um kurz nach sechs Uhr auf den Heimweg machte. Zu Fuß dauerte es etwa eine halbe Stunde, bis sie vom Verlag aus daheim ankam. Meistens nutzte sie diese – einzige – Gelegenheit
des Tages, sich körperlich zu betätigen, wenn es nicht gerade in Strömen regnete oder sie allzusehr in Eile war. Heute, an diesem ersten September, nieselte es zwar, aber das war ihr egal, und eilig hatte sie es schon gar nicht.
    Sie ging durch die stillen Straßen des Villenviertels, sah heute nicht die vertrauten alten Häuser rechts und links, die in spätsommerlich bunten, üppig blühenden Gärten im Regen vor sich hin träumten. Die Wassertropfen pladderten auf das Dach aus Blättern, das die gewaltigen Bäume entlang den Bordsteinen bildeten.
    Wird er zu Hause sein, wenn ich komme? Wie lange wird dieses Zuhause überhaupt noch meines sein?
    Dieser letzte Gedanke war ihr bisher noch nicht gekommen, und er erschreckte sie zutiefst. Das Haus gehörte ihnen beiden zusammen, das Haus, das im Grunde nur ein Häuschen war. Es war noch lange nicht abbezahlt, aber das Abstottern des Bankkredits hatte sich als billiger erwiesen, als es Mietzahlungen gewesen wären.
    Das Haus war aus hellem Sandstein gebaut, es hatte zwei Zimmer im Erdgeschoß und drei Zimmer im ersten Stock. Die Küche hatte einen Fußboden aus Steinplatten und eine weißlackierte Tür, die nach hinten zum Garten hinaus führte und im Sommer fast verschwand hinter den Jasminbüschen, die rechts und links von ihr gepflanzt waren. Im Wohnzimmer gab es einen Erker, in dem man Tee trinken und auf die Straße hinausblicken konnte, und das Eßzimmer hatte einen bezaubernden alten Kamin und Sprossenfenster, die von Efeu umrankt wurden. Wolfgang und Leona hatten das Haus an einem sonnigen Apriltag vor sieben Jahren zum erstenmal gesehen und sich beide sofort verliebt. Wolfgang hatte Leona eingeschärft, gegenüber der alten Frau, die das Haus verkaufen und zu ihrer Tochter nach Kalifornien ziehen wollte, nur keine Begeisterung
zu zeigen, da dies eine schlechte Ausgangsbasis wäre, den Kaufpreis zu drücken. Aber dann hatten sie beide ihr Entzücken nicht verhehlen können. Den Garten schirmten hochgewachsene Hecken gegen neugierige Blicke ab, und in der Mitte lud eine weiße Bank unter einem Apfelbaum zum Träumen an stillen, heißen Sommertagen ein.
    »Wissen Sie«, hatte die alte Frau gesagt, »wenn ich nicht so allein wäre,

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