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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Robert ihr glaubte, aber er war taktvoll genug, nicht weiter zu forschen.
    »Lydia rafft, was sie nur kriegen kann«, sagte er, »aber sie hat dabei durchaus einen Blick für das, was wertvoll ist. Sie hat sich schon Evas Schlafzimmer gesichert, weißer Schleiflack, und alles vom Feinsten.«
    »Warum behalten Sie das nicht?«
    »Ich kann es nicht mit nach Ascona nehmen. Ich habe dort überhaupt keinen Platz. Na ja, soll die Alte es haben. Offensichtlich hat sie Eva ja etwas bedeutet.« Er wies auf
die Büchertürme. »Nehmen Sie doch ein paar Bücher, Leona. Irgendwie muß ich die Wohnung leer bekommen, ehe ich sie verkaufe.«
    Er setzte sich auf einen Stuhl, strich sich die dunklen Haare aus der Stirn.
    »Entschuldigen Sie, ich bin völlig kaputt. Das alles geht über meine Nerven. Eine verdammte Geschichte.«
    »Wann haben Sie zuletzt etwas gegessen?« fragte Leona sachlich.
    Robert stutzte, dann lachte er. »Gute Frage. Gestern abend, glaube ich.«
    »Dann könnte es nicht schaden, jetzt mal wieder etwas zu sich zu nehmen. «
    »Ich würde nichts hinunterbringen.«
    Leona beugte sich über einen der Bücherstapel. Vorwiegend Gedichtbände. Hesse, Hölderlin, Lasker – Schüler, Benn, Trakl. Eva hatte Gedichte geliebt.
    »Sie wissen nicht vielleicht jemanden, der diese Wohnung hier kaufen möchte?« fragte Robert.
    Leona verneinte. Sie verbiß sich das bittere Lächeln, das sich bei dem Gedanken auf ihr Gesicht stehlen wollte, daß sie selbst eine geeignete Interessentin sein könnte. Nach dem Verkauf des Hauses bliebe ihr wohl gerade genug Geld dafür.
    Wie Eva hatte auch sie ihren Mann verloren. Wenn sie nun ihre Wohnung nahm, konnte sie Evas Weg bis zur letzten Konsequenz gehen und irgendwann dort unten auf der Straße ihr Leben aushauchen. Der alte Mann mit dem Cockerspaniel würde ihr aus verständnislosen Augen dabei zusehen. Wie hatte Robert Jablonski gesagt: Es gibt keinen Zufall.
    »Ein paar von den Gedichtbänden nehme ich gerne mit«, erklärte sie.

    Lydia streckte schon wieder den Kopf herein. »Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, aber ich sterbe vor Hunger! Ich könnte für uns alle etwas Leckeres kochen, oder wir gehen zum Italiener um die Ecke und essen da etwas!«
    Letztere Idee schien ihr am meisten zuzusagen. Doch Robert schüttelte den Kopf.
    »Machen Sie sich keine Mühe, Lydia. Und zum Italiener können wir nicht gehen, wir müssen hier auf Bernhard Fabiani warten. Er steht sonst vor verschlossenen Türen, was ich ihm zwar gönnen würde, was aber insgesamt das Problem nicht löst. Irgendwann muß ich mit ihm hier die Sachen durchgehen.«
    »Er könnte jetzt wirklich bald mal kommen«, meinte Lydia unzufrieden.
    »Sicher trifft er jeden Moment ein.«
    Sie warteten schweigend. Der Regen rauschte stärker, und Dämmerung senkte sich über das Zimmer.
     
    Der allseits so verhaßte Bernhard Fabiani erschien kurz nach acht Uhr, ziemlich abgehetzt und irgendwie zerknautscht aussehend. Die wenigen Schritte vom Auto bis zur Haustür hatten ausgereicht, ihn völlig naß werden zu lassen.
    Lydia öffnete, als es klingelte, und führte ihn ins Wohnzimmer, wo die beiden anderen dabei waren, Bücher zu sortieren und in Kartons zu verpacken. Robert würde die meisten an Antiquariate verkaufen.
    Bernhard Fabiani trat ein, ein großer, sehr schlanker Mann mit grauen Haaren und einem intelligenten Gesicht. Auf den ersten Blick fand Leona, daß er nichts von einem notorischen Fremdgeher und Verführer hatte, dann aber dachte sie, daß man auch Wolfgang seine Untreue nicht ansah. Wolfgang wirkte außerordentlich seriös, und doch hatte er sie ein halbes Jahr lang belogen und betrogen.

    »Guten Abend«, sagte Fabiani. Er ging auf Robert zu. » Robert…«
    Robert wich einen Schritt zurück, reichte seinem Schwager nach kurzem Zögern jedoch die Hand. Die beiden Männer begrüßten einander außerordentlich kühl. Bernhard Fabiani realisierte wohl in diesem Moment erst das ganze Ausmaß der Feindseligkeit, die ihm entgegenschlug.
    Schließlich schälte er sich aus seinem Mantel, wartete kurz, aber da sich niemand anschickte, ihm das Kleidungsstück abzunehmen, legte er es resigniert über einen Stuhl. Dann streckte er Leona zögernd die Hand hin.
    »Bernhard Fabiani«, stellte er sich vor.
    Leona ergriff seine Hand und gewahrte einen Anflug von Erleichterung in seinen Zügen.
    »Leona Dorn«, sagte sie.
    »Es tut mir leid, daß ich so spät komme«, sagte Bernhard an Robert gewandt, »aber ich hatte noch ein

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