Der Verehrer
daß er genau das erreicht, was er wollte: Er bestimmt über mich und mein Leben. Ich tue nicht mehr, was ich tun möchte , ich tue, wozu er mich zwingt . Damit muß jetzt Schluß sein.«
»Ich verstehe«, sagte Bernhard, »dann kann man dir wohl nur viel Glück wünschen.«
»Ich glaube, ich kann es brauchen.«
»Ich möchte nicht, daß du mich noch anrufst, wenn du wieder in Frankfurt bist. Es ist besser, wir haben keinen Kontakt mehr.«
»Der Kontakt ist zunächst von dir ausgegangen«, erinnerte Leona.
»Ich weiß, ich weiß.«
Er bekam zwei steile Falten auf der Stirn und rührte etwas zu heftig in seiner Kaffeetasse.
»Ich habe etwas in dir gesehen, was du gar nicht bist, Leona. Du bist ein Wesen voll schrecklicher Probleme. Dein Mann hat dich verlassen, und seitdem läufst du im Zickzackkurs durchs Leben. Dich mit Robert einzulassen war eine furchtbar falsche Entscheidung. Du bräuchtest Hilfe.«
»Ich danke dir, daß du sie mir geben wolltest«, sagte Leona gelassen.
Er hörte den Spott aus ihren Worten, musterte sie kühl und sagte bösartig: »Du bist wohl leider zu alt für mich, Leona. Ich hatte noch nie etwas mit einer Frau deines Alters. Du bist über vierzig, nicht?«
»Ich werde Mitte Juni zweiundvierzig.«
»Eva wäre jetzt auch fast so alt. Aber mit ihr lief ja schon lange nichts mehr.«
»Ach – und sonst gehst du wohl nur mit Teenagern ins Bett, was?«
Er rührte wieder in seiner Tasse, der Kaffee schwappte über den Rand.
»Du brauchst gar nicht so zu grinsen, Leona. Meine Studentinnen sind verrückt nach mir. Und die meisten sind Anfang Zwanzig!«
Leona betrachtete ihn nachdenklich. Er prahlt wie ein kleines Kind, dachte sie.
Obwohl er elend aussah an diesem Morgen, war er auch im hellen Tageslicht ein unverkennbar schöner Mann. Er konnte es sich leisten, Arroganz und Unverschämtheit an den Tag zu legen: Vermutlich mußte er nur mit den Fingern
schnippen und konnte schon alle Frauen haben, die er wollte. Leona vermochte dies kühl zu analysieren, ebenso wie sie ungerührt seinen giftigen Worten und seiner unverfrorenen Angeberei lauschen konnte. Aber ihr ging auf in diesem Moment, welch eine Tragödie es für eine Frau bedeuten mochte, diesen Mann wirklich zu lieben – so wie Eva es getan haben mußte.
»Es stimmt nicht, was du mir einreden wolltest«, sagte sie, »daß Eva die gleiche Krankheit hatte wie ihr Bruder. Eva war völlig normal. Sie hatte nur das Pech, wahre und tiefe Gefühle für dich zu hegen. Das hat sie schließlich in den Selbstmord getrieben.«
»Was? Ihre Gefühle für mich?«
»Vor allem deine Gefühle für zwanzigjährige Studentinnen. Mit denen kam sie schließlich nicht mehr zurecht.«
»Mein Gott«, sagte Bernhard gelangweilt, »weißt du, daß du dich jetzt schon genau wie Eva anhörst? Vorwürfe, nichts als Vorwürfe. Mich wundert, daß Frauen nie begreifen, wie unattraktiv es sie macht, wenn sie ständig herumnörgeln. Man kriegt Falten davon, mein Schatz, und man treibt jeden Mann in die Flucht.«
Er nahm einen letzten Schluck Kaffee und stand dann auf.
»Ich hole jetzt meine Sachen, und dann fahre ich.«
Kurz darauf polterte er mit seiner Tasche wieder die Treppe herunter. Er schaute nicht einmal mehr in die Küche hinein, sondern verließ sofort das Haus. Leona konnte vom Fenster aus sehen, wie er mit einer lässigen Bewegung die Tasche auf den Rücksitz warf. Seine schwarzen, verwaschenen Jeans saßen etwas zu eng, stellte sie fest, vor allem im Kontrast zu den vielen grauen Strähnen in seinen Haaren. Es schien ihm klar zu sein, daß Leona ihn beobachtete, denn er bewegte sich so forciert
cool, daß es schon lächerlich war. Pfeifend stieg er in sein Auto und verzichtete dann immerhin auf die dümmste aller Peinlichkeiten: mit quietschenden Reifen und überhöhter Geschwindigkeit zu starten. Leona sah dem Wagen nach, bis er um die nächste Wegbiegung verschwunden war.
Arme Eva, dachte sie, einen Selbstmord war dieser Mann gewiß nicht wert.
2
Am Samstagmorgen verkündete Carolin ihrer Familie, sie werde über das Wochenende zu Leona fahren.
»Und Felix nehme ich mit«, fügte sie hinzu.
Sie saßen in der Küche um den Frühstückstisch. Alle hörten auf zu essen und sahen Carolin an.
»Du weißt, wo sie ist?« fragte Elisabeth schließlich.
»Ja.«
»Wo denn?« fragte Olivia.
»Ich möchte es nicht sagen. Wolfgang hat es mir anvertraut, aber er hält es für das beste, wenn es sonst niemand erfährt.«
»Also – wir würden
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