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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Ohren und verließ die Toilette. Ein Mann, der gerade vorbeikam, starrte sie bewundernd an.
    Ihr Herz klopfte schneller. Ich will es genießen! Ich will es genießen, solange ich jung bin!

    Sie durchquerte den halben Zug, bis sie den Speisewagen erreichte, wo sich das Telefon befand. Sie wählte Lydias Nummer und ließ es klingeln, bis die Verbindung abbrach. Niemand meldete sich.
    Lisa runzelte die Stirn. Es war halb zwölf. In eineinhalb Stunden sollte sie in Lydias Wohnung sein.
    Und die Frau war immer noch nicht daheim!
     
    Lisa leistete sich ein Taxi vom Hauptbahnhof zu Lydias Adresse. Lydia hatte ihr zwar beschrieben, wie sie mit der Straßenbahn zu ihr gelangen konnte, aber das erschien ihr zu umständlich.
    Der Taxifahrer musterte sie ständig im Rückspiegel.
    Wenn der wüßte, in welch absurder Mission ich im Grunde unterwegs bin, dachte sie.
    Nachdem sie ihn vor Lydias Haus bezahlt hatte und er davongefahren war, fragte sie sich, ob sie einen Fehler gemacht hatte. Hätte sie ihn vorsichtshalber bitten sollen, zu warten? Aber dann beschloß sie, auch wenn Lydia immer noch nicht dasein sollte, keinesfalls sofort umzukehren.
    Die Ahnung, die sie seit dem Vortag mit sich herumschleppte, bestätigte sich. Auf ihr Klingeln rührte sich nichts. Kein Knacken in der Sprechanlage, kein Summen des Türöffners. Alles blieb ruhig.
    »Verdammt!« sagte Lisa laut.
    Sie starrte die Hauswand hinauf, aber sie hatte keine Ahnung, welche der Fenster zu Lydias Wohnung gehörten. Sie klingelte noch dreimal, aber wiederum geschah nichts.
    Lisa blickte auf ihre Uhr. Es war fast zehn nach eins. Für ein Uhr waren sie verabredet gewesen. Vielleicht war Lydia unterwegs und hatte es nicht pünktlich geschafft. Vielleicht steckte sie irgendwo in einem Verkehrsstau fest und
saß schon auf glühenden Kohlen. Am besten wäre es, irgendwo zu warten und nach einer Weile noch einmal zum Haus zurückzukehren.
    Ein Rentner, der eindeutig viel zu warm angezogen war, in Schal und Mantel, kam aus dem Haus gehumpelt, blieb in der Tür stehen und blinzelte ungläubig in die Sonne; so als sei ihm die Tatsache, daß der Sommer gekommen war, bisher verborgen geblieben. Lisa fragte sich, weshalb alte Leute immer in Türen stehenblieben, um auszuruhen, die Lage zu peilen oder die Vorgänge, die sich um sie herum abspielten, zu begreifen. Meist versperrten sie auf diese Weise einer Menge anderer Leute den Weg, was sich hätte vermeiden lassen, wären sie nur drei Schritte weiter gegangen.
    Lisa trat auf ihn zu. »Entschuldigen Sie bitte«, sagte sie und bemühte sich um ein vertrauenerweckendes Lächeln, »ich bin mit Frau Behrenburg verabredet. Aber sie reagiert nicht auf mein Klingeln. Kann es sein, daß sie verreist ist? Wissen Sie das vielleicht?«
    Er starrte sie ratlos an. Es dauerte geschlagene fünf Minuten, ehe er begriff, wonach Lisa fragte. Dann folgte seine niederschmetternde Antwort: Lydia Behrenburg sei seit fast einer Woche verreist. Ihr Auto sei aus der Tiefgarage des Hauses verschwunden, und niemand habe sie mehr gesehen.
    3
    Carolin war der Star der Party.
    Leona beobachtete ihre Schwester mit Bewunderung: Sie kannte niemanden von den etwa sechzig anwesenden Jugendlichen und hatte mit den meisten von ihnen sicher
nur wenig gemein. Aber sie war nach wenigen Minuten bereits integriert, plauderte, lachte, flirtete, hopste zu der Musik aus dem mitgebrachten Kassettenrecorder zwischen den Bäumen herum. Sie trug ein enges weißes T-Shirt, hatte sich dazu einen Wickelrock aus einem billigen, blau-weiß bedruckten Stoff um die Hüften geschlungen. Ihre Füße steckten in weißen Tennisschuhen, und ihre langen blonden Haare wallten offen bis zur Taille hinab. Sie sah hinreißend aus, fand Leona. Bei all ihrer unmöglichen Lebensführung, ihrer Arbeitsunwilligkeit und dem Hang zu nichtsnutzigen Männern hatte sie sich doch eine Fröhlichkeit und Unkompliziertheit bewahrt, die Leona bisher gar nicht richtig bewußt geworden war. An diesem Abend begriff sie etwas von Carolins Philosophie, die diese vermutlich völlig unbewußt lebte: Carpe diem . Carolin lebte von einem Augenblick zum nächsten, und ihr oberstes Prinzip dabei war, daß sie so viel Spaß und Glück wie nur möglich fand. Weder hielt sie sich mit Ärgernissen und Niederlagen aus der Vergangenheit auf, noch verlor sie sich in Grübeleien um die Zukunft. Für sie hatte nur Wichtigkeit und Bedeutung , was sich unmittelbar neben ihr und um sie herum abspielte.
    Leona hatte auf der

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