Der Verehrer
war schwimmen. Hallo – übrigens!«
»Hallo. Ich habe mir Sorgen gemacht. Sagtest du schwimmen? Du mußt verrückt geworden sein!«
»Es hat großen Spaß gemacht. Und ich habe einen …« Sie stockte.
Sie hatte »Verehrer« sagen wollen, aber das war der Begriff, den Wolfgang immer für Robert verwendet hatte.
»Ich habe einen Mann kennengelernt, der noch keine zwanzig ist und mich toll findet«, sagte sie. »Stell dir das vor! Er hat mich für Samstag zu einer Party eingeladen.«
»Dann hast du wenigstens etwas Abwechslung«, sagte Wolfgang. Er klang verstimmt.
»Eben. Die kann ich wirklich brauchen.«
Sie sah zum Fenster hinaus auf die Veranda. Bernhard war aufgestanden. Er wandte ihr den Rücken zu, stand am Geländer und starrte in den Garten. Sein Glas hielt er fest umklammert. Selbst von hinten waren ihm Frustration und Wut deutlich anzusehen. Auf dieser Welt wimmelt es wirklich von Spinnern, dachte Leona.
»Ich hatte noch ein Abendessen. Geschäftlich«, sagte Wolfgang. »Ich bin jetzt auf dem Heimweg.«
Ein Abendessen mit deiner Exgeliebten etwa? hätte Leona fast gefragt, aber sie verbiß es sich. Seine Sache. Und die Wahrheit würde er ihr sowieso nicht sagen.
Er wartete einen Moment. Als von ihr nichts kam, sagte er leise: »Ich liebe dich, Leona«, und legte den Hörer auf.
Leona fand, daß dieser Tag eine Menge für ihr Selbstbewußtsein getan hatte. Ein Mann, der sich sinnlos betrank, weil sie ihn abgewiesen hatte. Ein Mann, der sie zu einer Grillparty eingeladen und sich dabei vor Verlegenheit gewunden hatte. Ein Mann, der ihr am Telefon sagte, daß er sie liebte. Wenn jetzt noch das Problem Robert gelöst wäre, könnte das Leben richtig schön sein, dachte sie.
Am nächsten Morgen tauchte Bernhard erst gegen zehn Uhr unten in der Küche auf. Er war sichtlich verkatert, sah
grau und unausgeschlafen aus. Mit schmerzlich verzogenem Gesicht blinzelte er in das helle Sonnenlicht, das durch das Fenster fiel.
»Hast du ein Aspirin?« fragte er, anstatt den obligatorischen »guten Morgen« zu wünschen.
Leona, die am Küchentisch saß und Zeitung las, stand auf, füllte ein Glas mit Wasser, warf die Tablette hinein.
»Hier. Du siehst wirklich ziemlich elend aus. Möchtest du einen Kaffee?«
»Bitte. Der Wein war wohl nicht in Ordnung.«
»Der Wein war schon in Ordnung. Du hast nur zuviel erwischt. «
»Kann sein.«
Mürrisch trank er sein Wasser, zog sich dann die Kaffeetasse heran, die Leona inzwischen gefüllt hatte. Er wehrte ab, als sie ihm den Brotkorb zuschob.
»Nein, um Gottes willen! Ich kann jetzt nichts essen!« Sie saßen einander schweigend gegenüber.
Schließlich sagte Bernhard: »Ich fahre noch heute zurück.«
Leona nickte. »Das habe ich erwartet.«
»Tut mir leid. Du bleibst hier ziemlich einsam zurück.«
Er machte eine Handbewegung, die die sonnige Küche, die Stille, das leise Ticken der Wanduhr, die aufgeschlagene Zeitung umschrieb.
»Nicht deine Art, nicht wahr? An einem normalen Freitag um zehn Uhr noch am Frühstückstisch zu sitzen und Zeitung zu lesen.«
»Du sitzt ja auch gerade an einem normalen Freitag um zehn am Frühstückstisch.«
»Das ist etwas anderes. Ich habe mich losgeeist für zwei Tage … und dann geht es bei mir ganz normal weiter.«
Er packt’s immer noch nicht, dachte Leona, jetzt muß er mir klarmachen, daß er nur aus Mitleid zu mir gekommen
ist und daß ich mich in einer schrecklich bedauernswerten Lage befinde.
»Bei mir geht es auch ganz normal weiter«, erklärte sie. »Ich fahre am Sonntag nach Hause.«
Bernhard schien aus dem Konzept gebracht.
»Wirklich? Ich dachte nicht, daß du an dieser verrückten Idee festhältst!«
»Ich kann mich nicht bis in alle Ewigkeit verstecken. Ich habe keine Lust dazu.«
»Du begibst dich in große Gefahr.«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich bin auch hier in Gefahr. Durch dich, zum Beispiel. Kannst du ausschließen, daß Robert dir gefolgt ist?«
Bernhard lachte. »Ich bitte dich, Leona! Wie denn? Ich bin mit fast zweihundert Sachen über die Autobahn gebraust. Soll er mir mit Rollschuhen hinterher sein?«
»Er könnte auch ein Auto organisiert haben.«
»Wie …?«
»Ich weiß, es ist unwahrscheinlich. Aber nicht undenkbar. Ich wollte dir jetzt auch gar keinen Vorwurf machen. Es ist nur so – in völlige Sicherheit kann ich mich nirgendwo bringen. Und vom Verstecken habe ich ohnehin die Nase voll. Robert hat viel zuviel Macht über mein Leben gewonnen. Ich habe zugelassen,
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