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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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»Das gibt’s doch gar nicht«, sagte Olivia schließlich leise. Wie alle Menschen, die Leona und Wolfgang kannten, hätte sie jede Wette gehalten, daß eher die Welt einstürzte, als daß dieses Traumpaar sich trennte.
    »Ich möchte dich bitten, unseren Eltern nichts zu sagen«, sagte Leona, »ich fühle mich idiotischerweise wie ein Schulmädchen, das mit einer schlechten Note nach Hause gehen muß. Ich habe keine Ahnung, wie ich ihnen dieses Fiasko beibringen soll.«
    »Es ist doch nicht deine Schuld.«
    »Ich komme mir vor wie jemand, der auf der ganzen Linie gescheitert ist«, sagte Leona verzagt.

    Sie redeten noch eine Weile, und Leona fühlte sich nach diesem Gespräch tatsächlich besser. Sie war nicht so allein, wie sie es zunächst empfunden hatte. Sie hatte noch ihre Familie. Die Welt brach nicht zusammen.
    Als das Telefon wieder klingelte, dachte sie, daß sie diesmal den Hörer abnehmen würde, wenn es wieder Wolfgang wäre. Statt dessen klang Lydias Stimme durch den Raum.
    »Leona? Sind Sie wirklich nicht da? Eben war doch ganz lange besetzt! Ich wollte Sie zum Abendessen bei mir einladen. Na ja, falls Sie bis sieben Uhr zurück sind, melden Sie sich bitte! Wissen Sie was? Robert Jablonski, Evas Bruder, hat mich gefragt, ob Sie verheiratet sind! Der Herr, den ich neulich am Telefon hatte, war doch Ihr Mann, oder? Also, ich glaube, Sie haben jedenfalls einen Verehrer gefunden. Rufen Sie mich zurück, ja?«
    Leona war froh, daß sie den Anrufbeantworter eingeschaltet hatte. Ein Abendessen mit Lydia, die weder vor indiskreten Fragen noch lauthals geäußerten Allgemeinplätzen zurückschreckte, hätte ihr noch gefehlt. Ihr schwante, daß Lydia sie als Ersatzfreundin für Eva gewinnen wollte. Es würde schwierig sein, sie auf Distanz zu halten.
    Sie hatte schließlich ihren Koffer gepackt, ging ins Bad, ließ heißes Wasser in die Wanne laufen und legte sich in den duftenden Schaum. Sie starrte zur Decke hinauf, lauschte dem Pladdern der Regentropfen draußen. Es regnete ständig in diesem September. Manchmal hatte sie den Eindruck, es werde nie wieder aufhören.
    Unten klingelte schon wieder das Telefon. Sie konnte nicht verstehen, wer auf den Anrufbeantworter sprach, hatte aber den Eindruck, es handele sich um eine Männerstimme. Wahrscheinlich wieder Wolfgang. Es schien ihn nervös zu machen, daß er sie nicht erreichen konnte. Diese
Vorstellung gab Leonas angeschlagenem Selbstwertgefühl eine Spur von Auftrieb.
    Später ging sie, in ein dickes Handtuch gewickelt, nach unten. Sie badete oft am späten Samstagnachmittag; es war der einzige Zeitpunkt in der Woche, an dem sie die innere Ruhe dazu fand. Früher hatte Wolfgang dann immer mit einem Drink unten auf sie gewartet, entspannt, lächelnd, bereit und erwartungsvoll, stundenlang alles mit ihr zu besprechen, was die Woche für sie beide gebracht hatte.
    Es sind diese Dinge, dachte sie nun, die so schrecklich fehlen. Diese Dinge, die man gar nicht so richtig bemerkt hat, als man sie noch hatte, von denen man aber weiß, daß sie es waren, die dem Leben seine Wärme verliehen haben.
    Sie kam am Garderobenspiegel im Flur vorbei, blieb stehen, sah sich an. Sie hatte den Eindruck, daß sie spitzer geworden war im Gesicht während der vergangenen zwei Wochen. Es wunderte sie nicht; sie hatte keine Lust und war viel zu deprimiert, um für sich zu kochen. In der Verlagskantine hatte sie noch nie gern gegessen, und so ernährte sie sich im wesentlichen von im Stehen gelöffelten Joghurts und Vitaminpillen.
    Ihre Haare waren noch naß vom Bad. Ihre Lorelei – Haare, taillenlang, hellblond. Wolfgang und ihre Mutter hatten ihr immer gesagt, sie dürfe nur ja nie ihre Haare abschneiden.
    Manchmal hatte sie dann lachend erwidert: »Aber als alte Oma, da gestattet ihr es dann schon!«
    Und Wolfgang hatte ein paar Strähnen durch seine Finger gleiten lassen und sehr ernst gesagt: »Nein. Nie. Auch als alte Oma nicht!«
    Ich sollte sie abschneiden lassen, dachte sie nun, was hat es mir denn genützt, seine Wünsche zu erfüllen?

    Das war ein neuer Gedanke, und während sie sich im Eßzimmer einen Drink zubereitete, beschäftigte sie sich mit ihm. Neigte sie dazu, allzusehr den Erwartungen ihrer Umgebung zu entsprechen? Verbrauchte sie ihre Kräfte darin, es jedem recht machen zu wollen? Die perfekte Tochter zu sein, die perfekte Schwester, die perfekte Ehefrau? Hätte sie ein Kind, sie hätte auch noch die perfekte Mutter abgegeben.
    Und was ist Perfektion am

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