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Der Verehrer

Der Verehrer

Titel: Der Verehrer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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abwechseln, hätten sich trösten können, wenn es ihm schlechter ging und sein Leid kaum noch mit anzusehen war. Sie hätte jemanden gehabt in der Eintönigkeit und Tristesse des täglichen Lebens.
    Sie hatte Benno gekündigt, nicht lange nach Annas Tod. Sie hatte das schon längere Zeit vorgehabt, denn seine Hilfe kostete natürlich Geld, und sie mußte sparen für die Zeit, wenn ihr Vater tot war und seine Rente ausblieb. Sie hatte die Entscheidung vor sich hergeschoben, aber Annas Tod stellte die Zäsur dar, an der sie endlich die Dinge zu regeln beschloß.
    »Tut mir leid, Benno. Ich war immer sehr zufrieden mit Ihnen. Es geht wirklich nur ums Geld, glauben Sie mir.«
    »Klar, weiß ich. Ich würde Ihnen gern auch so helfen, aber …«
    »… von irgend etwas müssen Sie leben. Natürlich.«
    Benno fehlte ihr, seine zupackende Art, seine ausgeglichene Freundlichkeit. Das Gejammere und Geschimpfe ihres Vaters mußte sie nun ganz allein aushalten, sich mit ihm abquälen bei Verrichtungen, die im Grunde über ihre Kräfte gingen. Sie war überzeugt, Anna hätte ihn aufmuntern können. Sie war immer die Lieblingstochter gewesen, so fröhlich und lebhaft, manchmal ein wenig egoistisch, dabei aber stets so liebenswürdig, daß viele Leute dieses Zuges an ihr gar nicht gewahr wurden.
    Vielleicht hätte ich ihr sogar verzeihen können, daß sie sich aus dem Staub gemacht hat, dachte Lisa. Vielleicht hätte sie mir erklärt, warum sie es getan hat, und vielleicht hätte sie verstanden, was sie mir damit angetan hat. So hat sie mich ein zweites Mal zurückgelassen – mit diesem Dorf, mit diesem sterbenden Mann.

    Lisa trat ans Fenster und starrte hinaus. Von hier aus konnte sie den Wald sehen, den Wald, in dem Anna gestorben war. Ein stürmischer Wind zerrte an den Blättern der Bäume, und goldener Herbstsonnenglanz lag über dem Land.
    Lisa begann zu weinen.
    6
    Am 15. September begann Leonas Urlaub. Sie und Wolfgang hatten sich zwei Wochen freigenommen. Sie hatten vorgehabt, für eine Woche zu Leonas Familie in die Rhön zu fahren und in der zweiten Woche die Küche zu streichen und ein paar andere notwendig gewordene Reparaturen am Haus vorzunehmen. Geplant hatten sie dies alles Ende Mai.
    Zu diesem Zeitpunkt, dachte Leona nun bitter, war Wolfgang schon mit der anderen zusammen und wußte vermutlich ziemlich genau, daß er diese Ferien nicht mit mir verbringen würde.
    Sie schwankte ständig zwischen Trauer und Wut. Noch immer hatte sie niemandem erzählt, was geschehen war. Sie wußte selber nicht, weshalb sie es nicht fertigbrachte, darüber zu reden. Sie hatte eine Ahnung, daß sie von dem unbewußten Gedanken geleitet wurde, die Geschichte könne noch gut ausgehen, solange sie sie in gewisser Weise nicht akzeptierte. Faßte sie sie erst in Worte, dann wurden die Geschehnisse Realität.
    Wolfgang hatte noch eine Menge Sachen abgeholt. Taktvollerweise – oder war es Feigheit? – kam er immer dann, wenn sie im Verlag war. Sie mußten einander auf diese Weise nicht begegnen, und sie mußte nicht zusehen, wie er
seine Habseligkeiten Stück für Stück aus dem Haus und aus ihrem Leben trug. Wenn sie abends heimkam, merkte sie immer sofort, daß er dagewesen war. Sie wußte zu gut Bescheid in seinen Sachen, jedes Fehlen eines Gegenstandes fiel ihr auf.
    Eines Morgens, kurz vor dem Urlaub, faßte sie sich ein Herz und rief ihn vom Verlag aus in seinem Büro an. Erstaunlicherweise stellte die Sekretärin sie sofort zu ihm durch; für gewöhnlich war es äußerst schwierig, ihn tagsüber zu sprechen. Er schien erleichtert, daß sie den ersten Schritt getan hatte.
    »Leona! Wie geht es dir?«
    Leona überlegte, ob diese Frage höhnisch oder ernst gemeint war, oder ob sie lediglich als Floskel diente, um die Verlegenheit des Augenblicks zu überspielen. Sie hielt die letzte Variante für die wahrscheinlichste.
    »Es geht mir recht gut, danke«, sagte sie kühl. Zum Glück konnte er von ihrem Herzrasen nichts spüren. »Wolfgang, ich wollte dich fragen, wie du dir das nun alles weiterhin vorstellst.«
    »Müssen wir das am Telefon besprechen?«
    »Ja. An einem persönlichen Treffen bin ich bis auf weiteres nicht interessiert.«
    Er seufzte. Er hätte das alles so gerne freundschaftlich gelöst. Statt dessen hatte er es mit einer verletzten, verbitterten Frau zu tun, die ihm die Angelegenheit nicht durch Verständnis oder Freundlichkeit erleichterte. Leonas Stimme klang, als klirrten Eiswürfel in einem Glas

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